Entscheidungsstichwort (Thema)
Marken. Richtlinie 89/104/EWG. Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zwischen einer Marke und einem ähnlichen Zeichen. Verlust der Unterscheidungskraft infolge des Verhaltens des Markeninhabers nach dem Zeitpunkt, zu dem die Benutzung des Zeichens begann
Beteiligte
Tenor
1. Artikel 5 Absatz 1 der ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass das Gericht zur Bestimmung des Schutzumfangs einer Marke, die ordnungsgemäß aufgrund ihrer Unterscheidungskraft erworben wurde, die Auffassung der betroffenen Verkehrskreise zu dem Zeitpunkt berücksichtigen muss, zu dem die Benutzung des Zeichens begann, dessen Benutzung die betreffende Marke verletzt.
2. Stellt das zuständige Gericht fest, dass das betreffende Zeichen zu dem Zeitpunkt, zu dem seine Benutzung begann, die Marke verletzte, so ist es Sache dieses Gerichts, die Maßnahmen zu ergreifen, die nach den Umständen des Einzelfalls am geeignetsten sind, das Recht des Markeninhabers aus Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 89/104 zu gewährleisten; diese Maßnahmen können insbesondere die Anordnung einschließen, die Benutzung des betreffenden Zeichens zu unterlassen.
3. Die Unterlassung der Benutzung des betreffenden Zeichens ist nicht anzuordnen, wenn festgestellt worden ist, dass die fragliche Marke ihre Unterscheidungskraft infolge eines Tuns oder Unterlassens ihres Inhabers verloren hat, so dass sie zu einer gebräuchlichen Bezeichnung im Sinne von Artikel 12 Absatz 2 der Richtlinie 89/104 geworden und deshalb verfallen ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von der Cour de cassation (Belgien) mit Entscheidung vom 17. März 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 31. März 2005, in dem Verfahren
Levi Strauss & Co.
gegen
Casucci SpA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter), J.-P. Puissochet, S. von Bahr und U. Lõhmus,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: K. Sztranc, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Levi Strauss & Co., vertreten durch T. van Innis, avocat,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch N. B. Rasmussen und D. Maidani als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Januar 2006
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Levi Strauss & Co. (im Folgenden: Levi Strauss) und der Casucci SpA (im Folgenden: Casucci) wegen des Verkaufs von Jeanshosen durch Casucci, die mit einem Zeichen versehen sind, das angeblich eine Marke verletzt, deren Inhaber Levi Strauss ist.
Rechtlicher Rahmen
3 Die zehnte Begründungserwägung der Richtlinie 89/104 lautet:
„Zweck des durch die eingetragene Marke gewährten Schutzes ist es, insbesondere die Herkunftsfunktion der Marke zu gewährleisten; dieser Schutz ist absolut im Falle der Identität zwischen der Marke und dem Zeichen und zwischen den Waren oder Dienstleistungen. Der Schutz erstreckt sich ebenfalls auf Fälle der Ähnlichkeit von Zeichen und Marke und der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen. Es ist unbedingt erforderlich, den Begriff der Ähnlichkeit im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr auszulegen. Die Verwechslungsgefahr stellt die spezifische Voraussetzung für den Schutz dar; ob sie vorliegt, hängt von einer Vielzahl von Umständen ab, insbesondere dem Bekanntheitsgrad der Marke im Markt, der gedanklichen Verbindung, die das benutzte oder eingetragene Zeichen zu ihr hervorrufen kann, sowie dem Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen und zwischen den damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. Bestimmungen über die Art und Weise der Feststellung der Verwechslungsgefahr, insbesondere über die Beweislast, sind Sache nationaler Verfahrensregeln, die von der Richtlinie nicht berührt werden.”
4 Artikel 5 derselben Richtlinie bestimmt:
„(1) Die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr
…
b) ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass da...