Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Eisenbahnverkehrsleistungen. Missbrauch einer beherrschenden Stellung. Zugang zur Eisenbahninfrastruktur. Regulierungsstelle für den Eisenbahnverkehr. Überprüfung der Entgelte für die Nutzung von Infrastruktur. Nationale Gerichte. Wettbewerbsrechtliche Überprüfung der Entgelte. Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Regulierungsstelle und den nationalen Gerichten

 

Normenkette

AEUV Art. 102; Richtlinie 2001/14/EG Art. 30

 

Beteiligte

DB Station & Service

DB Station & Service AG

ODEG Ostdeutsche Eisenbahn GmbH

 

Tenor

Art. 30 der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur in der durch die Richtlinie 2007/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 geänderten Fassung

ist wie folgt auszulegen:

Er steht dem nicht entgegen, dass die nationalen Gerichte bei der Entscheidung über eine Klage auf Rückzahlung der Entgelte für die Nutzung von Infrastruktur gleichzeitig Art. 102 AEUV und das einzelstaatliche Wettbewerbsrecht anwenden, sofern die zuständige Regulierungsstelle vorher über die Rechtmäßigkeit der betreffenden Entgelte entschieden hat. Insoweit sind die nationalen Gerichte zur loyalen Zusammenarbeit verpflichtet; sie müssen bei ihrer Würdigung die Entscheidungen der zuständigen Regulierungsstelle berücksichtigen und sich bei der Begründung ihrer eigenen Entscheidungen mit dem gesamten Inhalt der ihnen vorgelegten Akten auseinandersetzen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Kammergericht Berlin (Deutschland) mit Entscheidung vom 10. Dezember 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Dezember 2020, in dem Verfahren

DB Station & Service AG

gegen

ODEG Ostdeutsche Eisenbahn GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richterin L. S. Rossi, der Richter J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und S. Rodin sowie der Richterin O. Spineanu-Matei,

Generalanwältin: T. Ćapeta,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der DB Station & Service AG, vertreten durch die Rechtsanwälte M. Köhler und M. Weitner,
  • der ODEG Ostdeutsche Eisenbahn GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte A. R. Schüssler und B. Uhlenhut,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Ernst und G. Meessen als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 7. April 2022

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 102 AEUV und der Art. 4, 7 bis 12 und 30 der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur (ABl. 2001, L 75, S. 29, berichtigt in ABl. 2004, L 220, S. 16) in der durch die Richtlinie 2007/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 (ABl. 2007, L 315, S. 44) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/14).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der DB Station & Service AG (im Folgenden: DB Station & Service) und der ODEG Ostdeutsche Eisenbahn GmbH (im Folgenden: ODEG) über die Höhe der Entgelte, die die letztgenannte Gesellschaft für die Nutzung der von der erstgenannten Gesellschaft betriebenen Verkehrsstationen zu zahlen hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2001/14

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 5, 11, 16, 32, 40 und 46 der Richtlinie 2001/14 hieß es:

„(5) Um Transparenz und einen nichtdiskriminierenden Zugang zu den Eisenbahnfahrwegen für alle Eisenbahnunternehmen sicherzustellen, sind alle für die Wahrnehmung der Zugangsrechte benötigten Informationen in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen zu veröffentlichen.

(11) Bei den Entgelt- und Kapazitätszuweisungsregelungen sollte allen Unternehmen ein gleicher und nichtdiskriminierender Zugang geboten werden und soweit wie möglich angestrebt werden, den Bedürfnissen aller Nutzer und Verkehrsarten gerecht und in nichtdiskriminierender Weise zu entsprechen.

(16) Entgelt- und Kapazitätszuweisungsregelungen sollten einen fairen Wettbewerb bei der Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen ermöglichen.

(32) Die Wettbewerbsverzerrungen, die sich aufgrund wesentlicher Unterschiede bei den Entgeltgrundsätzen zwischen Fahrwegen oder Verkehrsträgern ergeben könnten, sind so gering wie möglich zu halten.

(40) Der Fahrweg stellt ein natürliches Monopol dar. Es ist deshalb erforderlich, den Betreibern der Infrastruktur Anreize zur Kostensenkung und zur effizienten Verwaltung ihrer Fahrwege zu geben.

(46) Die effiziente Verwaltung und gerechte und nichtdiskriminierende Nutzung von Eisenbahnfahrwegen erfordert die Einrichtung einer Regulierungsstelle, die über die Anwendung dieser g...

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