Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Umwelt. Übereinkommen von Aarhus. Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten Projekten. Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren. Unregelmäßigkeiten im Projektgenehmigungsverfahren. Zugang zu Gerichten. Einschränkungen nach nationalem Recht. Wasserpolitik der Europäischen Union. Verschlechterung eines Grundwasserkörpers. Beurteilungsmethode. Anspruch von Privatpersonen auf Ergreifung von Maßnahmen zur Vermeidung von Verschmutzung. Klagebefugnis vor den nationalen Gerichten
Normenkette
Richtlinie 2011/92/EU; Richtlinie 2000/60/EG
Beteiligte
Tenor
1. Art. 11 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten ist dahin auszulegen, dass er es den Mitgliedstaaten erlaubt, für den Fall, dass ein Verfahrensfehler, mit dem eine Projektgenehmigungsentscheidung behaftet ist, keine Veränderung des Inhalts dieser Entscheidung bewirkt haben kann, vorzusehen, dass ein Rechtsbehelf, mit dem die Aufhebung der Entscheidung beantragt wird, nur dann zulässig ist, wenn der Rechtsbehelfsführer wegen des fraglichen Fehlers gehindert war, sein durch Art. 6 dieser Richtlinie garantiertes Recht auf Beteiligung am umweltbezogenen Entscheidungsverfahren wahrzunehmen.
2. Art. 4 der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik ist dahin auszulegen, dass er die zuständige Behörde daran hindert, die Prüfung der Einhaltung der in dieser Vorschrift vorgesehenen Pflichten, darunter die Pflicht zur Verhinderung der Verschlechterung des Zustands sowohl der Oberflächen- als auch der Grundwasserkörper, die von einem Projekt betroffen sind, erst nach der Projektgenehmigung durchzuführen.
Art. 6 der Richtlinie 2011/92 ist dahin auszulegen, dass die Informationen, die der Öffentlichkeit im Laufe des Projektgenehmigungsverfahrens zugänglich zu machen sind, die Angaben umfassen müssen, die erforderlich sind, um die wasserbezogenen Auswirkungen des Projekts anhand der insbesondere in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/60 vorgesehenen Kriterien und Pflichten zu beurteilen.
3. Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2000/60 ist dahin auszulegen, dass von einer projektbedingten Verschlechterung des chemischen Zustands eines Grundwasserkörpers sowohl dann auszugehen ist, wenn mindestens eine der Qualitätsnormen oder einer der Schwellenwerte im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2006/118/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Schutz des Grundwassers vor Verschmutzung und Verschlechterung überschritten wird, als auch dann, wenn sich die Konzentration eines Schadstoffs, dessen Schwellenwert bereits überschritten ist, voraussichtlich erhöhen wird. Die an jeder Überwachungsstelle gemessenen Werte sind individuell zu berücksichtigen.
4. Art. 1 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 erster Gedankenstrich sowie Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2000/60 sind im Licht von Art. 19 EUV und Art. 288 AEUV dahin auszulegen, dass die Mitglieder der von einem Projekt betroffenen Öffentlichkeit befugt sein müssen, vor den zuständigen nationalen Gerichten die Verletzung der Pflichten zur Verhinderung der Verschlechterung von Wasserkörpern und zur Verbesserung ihres Zustands geltend zu machen, wenn diese Verletzung sie unmittelbar betrifft.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 25. April 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 16. August 2018, in dem Verfahren
IL,
JK,
KJ,
LI,
NG,
MH,
OF,
PE,
RC und SB als Erbengemeinschaft nach QD,
TA,
UZ,
VY,
WX
gegen
Land Nordrhein-Westfalen
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot (Berichterstatter), der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta, der Richter M. Safjan und L. Bay Larsen sowie der Richterin C. Toader,
Generalanwalt: G. Hogan,
Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von IL, JK, KJ, LI, NG, MH, OF, PE, RC und SB, TA, UZ, VY, WX, vertreten durch die Rechtsanwälte R. Nebelsieck, J. Mittelstein und K. Fock,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Manhaeve und M. Noll-Ehlers als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. November 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 und Art. 11 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und d...