1 Leitsatz
Bestimmen die Wohnungseigentümer vor einem etwaigen Anwaltsvertrag, mit wem dieser zu schließen wäre, ist als Gebührenstreitwert der Durchschnitt der Mandate anzusetzen, den die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in einem Jahr vergibt.
2 Normenkette
§ 49 GKG; §§ 3, 9 ZPO; § 33 RVG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer beschließen unter TOP 3, gegen ein Urteil teilweise Berufung einzulegen (das LG setzt für das Berufungsverfahren später einen Streitwert von 5.000 EUR fest). Ferner fassen die Wohnungseigentümer folgenden Beschluss: "Die Eigentümerversammlung weist die Verwaltung an, für neu zu vergebende anwaltliche Mandate in Angelegenheiten der WEG (…) einschließlich der heute unter TOP 3 beschlossenen Berufung die Anwaltskanzlei (…) zu beauftragen." Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer teilt mit, es möge ein Versäumnisurteil ergehen. Mangels konkreter Anhaltspunkte sei der Streitwert auf 5.000 EUR festzusetzen. Dem tritt K entgegen. Der Beschluss sei auf eine unbefristete Anwaltsbeauftragung in sämtlichen Angelegenheiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu einem Stundensatz von 297,50 EUR brutto ausgerichtet. Nach § 9 ZPO sei von einem anwaltlichen Arbeitsaufwand von mindestens 200 Stunden auszugehen. Daraus würden sich Rechtsanwaltskosten von mindestens 59.500 EUR ergeben. Da K einen 81/1.000 Miteigentumsanteil habe, ergebe sich ein auf ihn entfallender Kostenanteil von mindestens 4.819,50 EUR und damit einen "Kappungsbetrag" von 36.146,25 EUR (7,5 x 4.819,50 EUR). Selbst wenn man von diesem Betrag noch gesetzliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 40 % abziehe, bliebe ein Streitwert von 21.687,75 EUR und somit insgesamt der in der Klage angegebene Streitwert von 22.000 EUR. So sieht es zunächst auch das AG. Nach Einwendungen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer setzt das AG den Streitwert aber auf insgesamt 5.000 EUR fest. Gegen diesen Beschluss legt der Klägervertreter im eigenen Namen Beschwerde ein und beantragt, den Streitwert auf mindestens 36.146,25 EUR heraufzusetzen.
4 Die Entscheidung
Teilweise mit Erfolg! Der Beschluss zu TOP 3 habe bei genauer Betrachtung 2 Teile. Er beziehe sich zum einen auf ein konkret benanntes Verfahren. Zum anderen erstrecke sich die Weisung auf alle neu zu vergebenden Mandate, deren Umfang im Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht bekannt gewesen sei. Der 1. Beschlussteil sei mit 5.000 EUR zu bewerten. Beim 2. Beschlussteil handele es sich um einen unbestimmten, in die Zukunft gerichteten Dauerbeschluss für die Vergabe neuer Mandate. Für dessen Bewertung könne man nicht § 9 ZPO heranziehen. § 9 ZPO erfasse nur Leistungen wiederkehrender Art. Wiederkehrend seien Leistungen nur dann, wenn sie auf einem einheitlichen Rechtsverhältnis beruhend in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen in gleichmäßigem bzw. nahezu gleichmäßigem Umfang verlangt werden könnten. Dies sei bei gesonderten Verfahren unterschiedlicher denkbarer Ausprägung und der jeweils einzeln hierzu erfolgenden Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht der Fall. Die anwaltliche Leistung hänge vom Einzelfall ab und könne nicht in gleichmäßigem bzw. nahezu gleichmäßigem Umfang verlangt werden. Der Wert dieses Beschlussteils sei daher nach § 3 ZPO zu schätzen, wobei die Parteien zur Darlegung von Schätzgrundlagen – der Zahlungen der letzten 3 Jahre – aufgefordert worden seien. Daraus ergebe sich ein weiterer Wert von ca. 10.000 EUR.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall gilt es, für eine Beschlussklage einen Wert zu ermitteln. Der Wert der konkreten Beauftragung ist einfach. Schwierig ist, was für die Wahl der Anwaltskanzlei für weitere, aber unbekannte Mandate gilt.
Gebührenstreitwert in Beschlussklagen
Nach § 49 GKG ist in Verfahren über Beschlussklagen der Streitwert auf das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung festzusetzen, wobei er den 7,5-fachen Wert des Interesses des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen sowie den Verkehrswert ihres Wohnungseigentums nicht übersteigen darf. Die Gerichte müssen dabei nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften der §§ 3 ff. ZPO vorgehen. Das Interesse ist nach objektiven Maßstäben zu bestimmen. Es ist der Wert zu ermitteln, den der Gegenstand unter den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann besitzt. Maßgebend ist das wirtschaftliche Interesse. Dabei ist grundsätzlich nur auf den unmittelbaren Gegenstand der Entscheidung abzustellen. Der tatsächliche oder rechtliche Einfluss der Entscheidung auf andere Rechtsverhältnisse bleibt außer Betracht ebenso wie ein möglicher wirtschaftlicher Nutzen bzw. Gewinn, der aus einer Prozessentscheidung erreichbar ist. In Bezug auf den konkret festgesetzten Streitwert besteht ein Beurteilungsspielraum des Gerichts.
Konkreter Fall
Im Fall hat die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer den Verwalter angewiesen, mit welchem Rechtsanwalt er namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Vertrag schließen soll, wenn ein Anwaltsvertrag zu...