1 Leitsatz

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist kein Kaufmann i. S. d. § 38 ZPO i. V. m. §§ 1, 6 HGB.

2 Normenkette

§§ 1ff. HGB; §§ 9a, 43 Abs. 1 Satz 1 WEG

3 Das Problem

Das gewerbliche Reinigungsunternehmen K erhebt gegen die Verwalterin, eine GmbH, eine Werklohnklage. Später nimmt sie diese Klage gegen die Verwaltung zurück und richtet sie gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer B. Die AGB der K zum Reinigungsvertrag enthalten unter der Überschrift "Erfüllungsort und Gerichtsstand" den Zusatz: "Gerichtsstand AG 1". B rügt mit der Verteidigungsanzeige die Zuständigkeit des Gerichts.

Das AG 1 verweist diesen Rechtsstreit antragsgemäß nach Anhörung an das AG 2. Dieses erklärt sich seinerseits für unzuständig und hält die Verweisung für willkürlich. Es legt den Rechtsstreit daher dem OLG zur Zuständigkeitsbestimmung vor. Warum? Das AG 2 meint, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei kraft Gesetzes "teilrechtsfähig" und wie eine juristische Person zu behandeln. Zuständig sei daher nach den AGB des Reinigungsunternehmens das AG 1.

4 Die Entscheidung

Das OLG meint, das AG 2 sei zuständig! Der Verweisungsbeschluss des AG 1 sei für das AG 2 gem. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend. Denn das AG 1 habe zutreffend die Kaufmannseigenschaft der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verneint. Dass diese "teilrechtsfähig" sei, stehe außer Frage, lasse aber ihre Einordnung als Kaufmann unberührt. Wer i. S. d. § 38 Abs. 1 ZPO Kaufmann sei, bestimme das Handelsrecht. Erfasst seien alle Betreiber eines Handelsgewerbes, d. h. jeder Gewerbebetrieb, soweit dieser nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordere. Außerdem fielen unter den Begriff alle in das Handelsregister eingetragenen sonstigen Gewerbetreibenden, Land- und Forstwirte sowie alle Handelsgesellschaften, unabhängig davon, ob ihr Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet sei, oder ob sie kraft gesetzlicher Fiktion als solche zu gelten haben. Alle diese Voraussetzungen lägen bei einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht vor. Erwägungen, ob B eine Verbraucherin sei, seien daher unerheblich.

5 Hinweis

Problemüberblick

Hält sich ein Gericht für unzuständig, kann es den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweisen. Die Verweisung ist grundsätzlich bindend. Die Bindungswirkung entfällt nur ausnahmsweise, wenn nämlich der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist, beispielsweise, weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss. Hierfür genügt allerdings nicht, dass der Beschluss inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist. Willkür liegt vielmehr nur vor, wenn der Verweisungsbeschluss bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist.

Im Fall würde es ggf. so liegen, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein "Kaufmann" wäre. Denn ein an sich unzuständiges Gericht des ersten Rechtszuges wird durch ausdrückliche oder stille Vereinbarung der Parteien zuständig, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechtes oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind. In den AGB der K war aber eine Gerichtsstandsvereinbarung enthalten, also eine Vereinbarung, welches Gericht zuständig sein soll.

Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kein Kaufmann

Das OLG entscheidet sich zu Recht dafür, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kein Kaufmann und die Verweisung daher nicht willkürlich ist. Die Rechtslage ist eindeutig. Schwierig kann es nur werden, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer z. B. Strom herstellt und verkauft oder ausnahmsweise andere Waren oder Dienstleistungen anbietet.

Gerichtstand der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat nach § 43 Abs. 1 Satz 1 WEG ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Erhebt ein Dritter eine Klage an einem anderen Ort sollte die Verwaltung dies rügen, wenn sie selbst die Verteidigung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übernimmt.

6 Entscheidung

OLG Celle, Beschluss v. 22.12.2021, 18 AR 27/21

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