1 Leitsatz
Eine andere als eine natürliche Person, die einen Vertrag mit einem Gewerbetreibenden schließt, kann nicht als Verbraucher i. S. d. Klauselrichtlinie angesehen werden. Das nationale Recht kann hiervon abweichen.
2 Normenkette
§ 9a Abs. 1 Satz 1 WEG
3 Das Problem
Eine Condominio Meda aus Mailand (K), vertreten durch ihre Verwalterin, schließt im Jahr 2010 mit einem Unternehmen B einen Vertrag über die Lieferung von Wärmeenergie. Bei Zahlungsverzug schuldet die K "Verzugszinsen in Höhe von 9,25 %, und zwar mit Ablauf der Frist zur Schlusszahlung". K und B streiten, ob diese Klausel nach einer AGB-Prüfung rechtsmissbräuchlich ist. Das zuständige italienische Gericht sieht das so. Es ist sich aber unsicher, ob eine Wohnungseigentümergemeinschaft, wie die Condominio im italienischen Recht, überhaupt eine Verbraucherin i. S. d. sog. Klauselrichtlinie ist. Es fragt daher den EuGH, ob der in der Klauselrichtlinie vorgesehene Begriff des Verbrauchers der Einstufung der Eigentümergemeinschaft im italienischen Recht, die nicht unter den Begriff "natürliche Person" bzw. "juristische Person" fällt, als Verbraucher entgegensteht, wenn dieses Subjekt einen Vertrag zu nicht der beruflichen Tätigkeit zuzurechnenden Zwecken schließt, sich gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und ihm gegenüber einen geringeren Informationsstand besitzt.
4 Die Entscheidung
Im Fall verneint der EuGH im Ergebnis die Frage! Er habe bereits entschieden, dass eine andere als eine natürliche Person, die einen Vertrag mit einem Gewerbetreibenden schließe, nicht als Verbraucher i. S. d. Klauselrichtlinie angesehen werden könne. Es stehe den Mitgliedstaaten zurzeit jedoch frei, den rechtlichen Status von Wohnungseigentümergemeinschaften in ihren jeweiligen nationalen Rechtsordnungen zu regeln, indem sie sie als "juristische Person" einstufen oder nicht. K sei nach dem italienischen Recht keine Verbraucherin. Allerdings sei noch zu klären, ob eine nationale Rechtsprechung dem Sinn und Zweck des Systems des Verbraucherschutzes innerhalb der Union zuwiderlaufe, wenn nach dieser Rechtsprechung die der Umsetzung der Klauselrichtlinie in das innerstaatliche Recht dienenden Rechtsvorschriften so ausgelegt werden, dass die in der Klauselrichtlinie enthaltenen Verbraucherschutzvorschriften auch auf einen Vertrag Anwendung finden, den ein Rechtssubjekt wie das Condominio im italienischen Recht mit einem Gewerbetreibenden schließt. Hierzu sei darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten strengere Verbraucherschutzmaßnahmen beibehalten oder ergreifen könnten, wenn sie mit den Verträgen vereinbar seien. Dies sei zu bejahen.
Hinweis
- Bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gab es in den letzten Jahrzehnten nur selten Anlass, für die Klärung der Rechtsfragen europäische Vorschriften heranzuziehen. Es gibt nämlich weder eine Richtlinie, die den Mitgliedstaaten Vorschriften macht, was die Organisation von Wohnungseigentumsanlagen betrifft, noch gibt es eine Rechtsverordnung, die Bestimmungen trifft. Allerdings gibt es "angrenzende Rechtsgebiete". Bedeutsam war insoweit bislang die Brüssel Ia-VO. Es handelt sich dabei um eine Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Diese ist vor allem anzuwenden, wenn bei einem Rechtsstreit gegen einen Wohnungseigentümer Handlungen im europäischen Ausland vorzunehmen sind. Wir haben Ihnen in diesem Zusammenhang in den letzten Jahren die entsprechenden Entscheidungen vorgestellt. Es ging um die Zuständigkeit bei Beseitigungs- und Störungsklagen (EuGH, Urteil v. 11.11.2020, C-433/19) sowie die Zuständigkeit für Hausgeldprozesse. Ferner ging es um die Lieferung von Wärme durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer an die Wohnungseigentümer und die "Mehrwertsteuerrichtlinie". Hier klärte der EuGH, dass die Lieferung der Umsatzsteuer unterliegt (EuGH, Urteil v. 17.12.2020, C 449/19). Im jetzigen Fall geht es um die "Klauselrichtlinie" (siehe zuvor EuGH, Urteil v. 5.12.2019, C-708/17). Zweck dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über missbräuchliche Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern. Der EuGH klärt insoweit, dass die Gerichte eine Person als Verbraucher ansehen dürfen, auch wenn dies nach der Klauselrichtlinie nicht der Fall ist.
- In Deutschland sehen die Gerichte die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zurzeit grundsätzlich als Verbraucherin an. Nach Ansicht des BGH ist sie im Interesse des Schutzes der in ihr zusammengeschlossenen, nicht gewerblich handelnden natürlichen Personen dann Verbraucherin, wenn ihr wenigstens ein Verbraucher angehört und sie ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder einer gewerblichen noch einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit dient. Ob in diese Rechtsprechung durch die WEG-Reform Bewegung kommt, bleibt abzuwarten. Anlass hierfür besteht. Denn nach § 9a Abs. 1 Satz 2 WEG entsteht die Gemeinschaft der Wohnungs...