Alexander C. Blankenstein
1.2.6.1 Grundsätze
Hinsichtlich der Abnahme von Gemeinschaftseigentum ist die entscheidende Frage, wer berechtigt ist, die Abnahme zu erklären. Aus Sicht des Bauträgers ist stets eine einheitliche Abnahme vorteilhaft und nicht eine sukzessive seitens der einzelnen Erwerber.
In Beantwortung der Frage, wer das Gemeinschaftseigentum abnimmt, muss man sich vor Augen führen, wer Partei des Bauträgervertrags ist. Dies ist auf der einen Seite der Erwerber der Wohnung und auf der anderen Seite der Bauträger. Der Bauträger ist aus dem Bauträgervertrag gegenüber dem Wohnungserwerber nicht nur zur Herstellung mangelfreien Sondereigentums verpflichtet, sondern auch zur mangelfreien Herstellung des Gemeinschaftseigentums. Auch wenn der Erwerber im Einzelfall nur einen sehr geringen Miteigentumsanteil an der Wohnanlage und somit am Gemeinschaftseigentum hat, hat er dennoch Anspruch auf insgesamt mangelfreies Gemeinschaftseigentum. Zur Abnahme sind also in erster Linie die Wohnungseigentümer als Vertragspartner des Bauträgers berufen. Sie können die Abnahme persönlich erklären oder sich auch vertreten lassen.
Keine Bindung für übrige Wohnungseigentümer
Die von einem Wohnungseigentümer erklärte Abnahme des Gemeinschaftseigentums im Hinblick auf seinen Miteigentumsanteil hieran, hat nur Wirkung zwischen ihm und dem Bauträger. Die von ihm erklärte Abnahme hat also keine Rechtswirkungen gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern und bindet diese nicht.
Das vergessene Fenster
Nach der Baubeschreibung sollte das Wohnzimmer einer Erdgeschosswohnung mit 3 Fenstern ausgestattet werden. Tatsächlich wurden nur 2 eingebaut. Der Erwerber einer Obergeschosswohnung stört sich hieran nicht. Ganz im Gegenteil ist er der Auffassung, dass die Fassade der Anlage nunmehr ästhetischer sei und erklärt die Abnahme. Der Erwerber der betroffenen Erdgeschosswohnung, der seine Wohnung am darauffolgenden Tag abnimmt, ist damit ganz und gar nicht einverstanden und verweigert die Abnahme.
Wäre hier der Erwerber der Erdgeschosswohnung an die vom Erwerber der Obergeschosswohnung erklärte Abnahme gebunden, hätte er keine Erfüllungsansprüche mehr gegen den Bauträger, sondern nur noch Mängelansprüche. Es ist freilich auch nicht ansatzweise nachvollziehbar, warum andere Erwerber berechtigt sein sollten, über das Schicksal des individuellen Rechtsverhältnisses zwischen Erwerber und Bauträger zu bestimmen.
Abnahme von "Sonderwünschen" einzelner Erwerber
Eine große Rolle spielen in der Praxis Vereinbarungen zwischen Bauträger und einzelnen Erwerbern über Sonderwünsche. Diese betreffen regelmäßig Bereiche des gemeinschaftlichen Eigentums. Ebenso regelmäßig haben die anderen Erwerber aber keine Kenntnis von den Sonderwünschen dieses einzelnen Erwerbers, sodass sie insoweit auch keine Erklärungen abgeben können. In diesen Fällen existiert schon kein einheitliches Bau-Soll. Wie ausgeführt, können Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum von den Wohnungseigentümern in Form einer Teilabnahme abgenommen werden – zwingend ist das aber nicht. Nimmt also der Sondereigentümer sein Sondereigentum ab und ergibt sich aus den Umständen nichts anderes, bedeutet die Abnahme des Sondereigentums im Regelfall auch die Abnahme des Gemeinschaftseigentums.
Ist zweifelhaft, ob neben dem Sondereigentum auch das Gemeinschaftseigentum abgenommen worden ist, muss die Abnahmeerklärung ausgelegt werden. Befasst sich das Abnahmeprotokoll lediglich mit dem Sondereigentum und wird das Gemeinschaftseigentum erst einige Zeit nach dieser Abnahmeerklärung fertiggestellt, ist von einer Abnahme lediglich des Sondereigentums auszugehen.
"Nachzügler"-Problematik
Vielfach erfolgt der Abverkauf von Wohnungseigentumseinheiten nur schleppend. Vereinzelt stehen einzelne Wohnungen Monate oder sogar Jahre leer.
Wohnung ohne Balkon
Der Bauträger hat eine Wohnanlage errichtet, die aus 10 Wohnungen besteht. Die 4 Erdgeschosswohnungen verfügen jeweils über Terrassen, die 4 Obergeschosswohnungen jeweils über Balkone. Die beiden Dachgeschosswohnungen haben weder Balkon noch Dachterrasse. Für eine dieser Wohnungen findet sich daher erst 2 Jahre nach Errichtung der Wohnanlage ein Käufer.
Unterstellt, die 8 übrigen Wohnungseigentümer hätten bereits nach Erwerb die Abnahme erklärt, wäre der Nachzügler-Erwerber nicht an diese Erklärungen gebunden. Im Fall eines Mangels am Gemeinschaftseigentum würden Mängelrechte der übrigen Erwerber in 3 Jahren verjähren. Da der Nachzügler-Erwerber an die Abnahmeerklärungen der übrigen Wohnungseigentümer nicht gebunden ist, kann er seine Rechte noch in der maßgeblichen 5-Jahres-Frist des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB geltend machen.
Bindungsklauseln sind unwirksam
In der Praxis versuchen sich Bauträger immer wieder vor diesem Problem zu schützen, indem sie in den Bauträgervertrag eine Klausel aufnehmen, wonach der Erwerber an eine zuvor erfolgte Abnahme der übrigen Wohnungseigentümer gebunden sei. Eine derartige Klausel ist unwirksam. Sie verstößt gegen die Bestimmungen der §§ 307...