Der Beginn wie auch das Ende des Versicherungsschutzes wird regelmäßig durch den Versicherungsvertrag konkret festgelegt. Enthält der Vertrag keine Regelung für die Uhrzeit, gilt die sog. Mitternachtsregelung des § 10 VVG. Danach beginnt die Versicherung mit dem Beginn des Tages, an dem der Vertrag geschlossen wird, sofern die Dauer der Versicherung nach Tagen, Wochen, Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum bestimmt wird.
Man unterscheidet grundsätzlich drei Arten des Versicherungsbeginns, nämlich den formellen, den materiellen und den technischen Versicherungsbeginn:
4.1 Formeller Versicherungsbeginn
Vertragsschluss
Der formelle Versicherungsbeginn ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, also des Zustandekommens des Versicherungsvertrags im Rechtssinn. Die Bezeichnung "formell" besagt, dass der Vertrag juristisch mit dem Zugang der Annahme des Versicherers beim Versicherungsnehmer zustande kommt.
4.2 Materieller Versicherungsbeginn
Tatsächliche Haftungsübernahme
Der materielle Versicherungsbeginn ist der vertraglich vereinbarte Zeitpunkt, von dem ab der Versicherungsschutz wirksam ist, also die Gefahrtragung des Versicherers beginnt. Die Bezeichnung "materiell" stellt somit auf die tatsächliche Haftungsübernahme durch den Versicherer ab.
Einlösungsprinzip
Voraussetzung für den Beginn des Versicherungsschutzes ist ferner die Zahlung der ersten Prämie durch den Versicherungsnehmer. Diesen Grundsatz bezeichnet man als Einlösungsprinzip, weil der Versicherungsnehmer durch die Prämienzahlung den Versicherungsschein einlöst. Diese Einlösungsklausel gilt nach der gesetzlichen Regelung, sofern die AVB keine abweichenden Bestimmungen treffen.
Erweiterte Einlösungsklausel
Die in einigen Versicherungssparten vereinbarte sog. erweiterte Einlösungsklausel weicht von der gesetzlichen strengen Einlösungsklausel zugunsten des Versicherungsnehmers ab. Sie muss jedoch ausdrücklich in den Bedingungen vereinbart sein. Danach beginnt der Versicherungsschutz bei unverzüglicher Einlösung des Versicherungsscheins zu dem hierin festgesetzten Zeitpunkt. Als unverzüglich wird eine Zahlung innerhalb eines Zeitraums von 14 Tagen angesehen. Der Versicherungsschutz beginnt hier also vor dem Zeitpunkt der Zahlung der ersten Prämie, wenn diese nach Eintritt der Fälligkeit gezahlt bzw. aus vom Versicherungsnehmer nicht zu vertretenden Gründen nicht gezahlt wird.
Wartezeiten
In der privaten Krankenversicherung und in der Rechtsschutzversicherung beginnt der Versicherungsschutz häufig erst nach Ablauf von sog. Wartezeiten.
4.3 Technischer Versicherungsbeginn
Ab Prämie
Der technische Versicherungsbeginn ist der Beginn des prämienbelastenden Zeitraums, also des Zeitabschnitts, von dem ab die Prämie berechnet wird. Der versicherungstechnische Beginn ergibt sich regelmäßig aus dem Versicherungsschein. Der prämienbelastete Zeitraum gliedert sich in Versicherungsperioden. Jede Versicherungsperiode beträgt ein Jahr, sofern die Prämie nicht nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist. Wenn der technische, nicht aber auch der materielle Versicherungsbeginn vor den formellen Versicherungsbeginn gelegt wird, spricht man von Rückdatierung. Der prämienbelastete Zeitraum beginnt dabei vor dem juristischen Vertragsabschluss, der Versicherungsschutz aber erst mit dem materiellen Versicherungsbeginn. Rückdatierungen spielen eine Rolle z. B. in der Krankenversicherung zur Abkürzung von Wartezeiten oder in der Kfz-Haftpflichtversicherung zur besseren Einstufung in Schadenfreiheitsklassen.
4.4 Rückwärtsversicherung
Versicherungsschutz vor Vertragsabschluss
Von einer Rückwärtsversicherung spricht man, wenn sowohl der technische als auch der materielle Versicherungsbeginn vor den formellen Versicherungsbeginn gelegt werden. Der Versicherungsschutz soll hier also bereits vor dem Vertragsabschluss beginnen. Die Rückwärtsdeckung kennt man z. B. in der Berufshaftpflichtversicherung, wenn das Risiko aus einem eventuell vor Vertragsbeginn erfolgten fahrlässigen Pflichtverstoß rückwirkend übernommen werden soll.
Davon zu unterscheiden ist der Fall der Rückdatierung. Bei einer Rückdatierung wird der technische Versicherungsbeginn vor den formellen und den materiellen Versicherungsbeginn gelegt. Mit einer Rückdatierung kann sich der Versicherungsnehmer Vorteile in der Prämienhöhe erkaufen, z. B. ein günstigeres Eintrittsalter in der Krankenversicherung.