Leitsatz (amtlich)

1.) Zur Auslegung einer Dienstvereinbarung mit einer Kündigungsklausel, die eine Frist für eine Kündigung zu zwei bezeichneten Zeitpunkten im Jahr vorsieht.

2.) Soweit § 86 Abs. 1 Nr. 1 HmbPersVG die Anordnung von Mehrarbeit der Mitbestimmung unterwirft, umfaßt die Mitbestimmung auch die Anordnung gegenüber einzelnen Beschäftigten.

3.) § 86 Abs. 2 HmbPersVG schließt die Mitbestimmung hinsichtlich solcher Regelungen der Dienststelle, die die Dienstdauer von pädagogischem Personal betreffen (hier: Anordnung von Mehrarbeit) nicht vollständig aus.

4.) Die Anordnung von Mehrarbeit gegenüber pädagogischem Personal zur Auffüllung nicht ganz kurzfristig auftretender Unterrichtsausfälle betrifft keine Erfordernisse, die die Dienststelle nicht voraussehen kann (§ 86 Abs. 3 HmbPersVG, § 75 Abs. 4 BPersVG) und unterliegt daher nicht nur der eingeschränkten Mitbestimmung.

 

Normenkette

HmbPersVG § 83 Abs. 1-2, § 86 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; BPersVG § 75 Abs. 4

 

Verfahrensgang

VG Hamburg (Beschluss vom 20.11.1998; Aktenzeichen 1 VG FL 12/98)

 

Nachgehend

BVerwG (Beschluss vom 03.12.2001; Aktenzeichen 6 P 12.00)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluß des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 20. November 1998 geändert.

Es wird festgestellt, dass der Beteiligte bei der Anordnung von Mehrarbeit und/oder Überstunden gegenüber pädagogischem Personal, das sich mit seiner Heranziehung nicht vorher einverstanden erklärt hat, die Mitbestimmungsrechte der Antragsteller insofern verletzt, als es die Auswahl der einzusetzenden Lehrkräfte und den Umfang der von der einzelnen Lehrkraft zu leistenden Mehrarbeit oder Überstunden betrifft, wenn die Notwendigkeit von Mehrarbeit oder Überstunden zumindest drei Wochen vorher feststellbar ist oder bei unvorhersehbar erforderlichen Anordnungen von Mehrarbeit oder Überstunden die Notwendigkeit insgesamt zwei Wochen angedauert hat und voraussichtlich zumindest eine weitere Woche andauern wird.

Im übrigen werden die Beschwerden der Verfahrensbeteiligten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Antragsteller, die Personalräte für das pädagogische Personal sämtlicher Schulformen in Hamburg, begehren die Feststellung, dass die Dienstvereinbarung vom 5. Dezember 1979 betreffend die Anordnung von Mehrarbeit von Lehrern bis zum Abschluss einer neuen Dienstvereinbarung nachwirke sowie festzustellen, dass der Beteiligte ihre Mitbestimmungsrechte verletze, indem er ohne Zustimmung Mehrarbeit bzw. Überstunden gegenüber einzelnen Lehrkräften anordne.

Unter dem Datum des 5. Dezember 1979 schlossen die Verfahrensbeteiligten gemäß § 83 des Hamburgischen Personalvertretungsgesetzes vom 16. Januar 1979 (GVBl. S. 17 mit spät Änd. – HmbPersVG –) eine Dienstvereinbarung folgenden Inhalts:

  1. „Die Personalräte stimmen – unter Verzicht auf eine Beteiligung im Einzelfall – gemäß § 79 Abs. 1 HmbPersVG in Verbindung mit § 86 Abs. 1 Nr. 1 HmbPersVG allgemein der Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden (nachstehend umfasst der Begriff „Mehrarbeit” auch die „Überstunden”) gegenüber vollbeschäftigten Lehrern zu, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

    1.1 Die Mehrarbeit muss zur kurzfristigen Vertretung erkrankter oder beurlaubter Lehrer notwendig werden.

    1.2 Die Mehrarbeit darf im Einzelfall wöchentlich drei Unterrichtsstunden nicht überschreiten. Insgesamt dürfen im Schulhalbjahr nicht mehr als 12 Stunden angeordnet werden. Die Mehrarbeit soll monatlich mindestens vier Stunden betragen.

    1.3 Die Mehrarbeit wird grundsätzlich von den Schulleitern angeordnet. Widerspricht der Lehrer der Anordnung, ist die Entscheidung des Schulaufsichtsbeamten einzuholen. Der Personalrat stimmt zu, dass der Schulaufsichtsbeamte in solchen Fällen bis zum Abschluss des nach dem HmbPersVG durchzuführenden Mitbestimmungsverfahrens in dem in vorstehender Nr. 1.1 und Nr. 1.2 festgelegten Rahmen Mehrarbeit bis zu vier Einzelstunden je Schulhalbjahr anordnet.

  2. Jede andere Anordnung von Mehrarbeit unterliegt den Verfahrensgrundsätzen des HmbPersVG.
  3. Diese Dienstvereinbarung tritt mit dem Tage der Unterzeichnung in Kraft. Sie ist von beiden Seiten mit einer Frist von sechs Wochen zum Ende eines Schulhalbjahres kündbar. Sie tritt ohne Kündigung außer Kraft, wenn die rechtlichen Voraussetzungen für die in dieser Vereinbarung getroffenen Regelungen nicht mehr vorliegen.

Die Dienstvereinbarung zwischen der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung und dem Personalrat für pädagogisches Personal an Gesamtschulen vom 6.10.1977 wird mit dem heutigen Tage rechtsunwirksam.”

Mit Schreiben vom 17. Juni 1998 stellte sich der Beteiligte auf den Standpunkt, die Dienstvereinbarung sei unwirksam, da der Personalrat bei der Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden nicht mitzubestimmen habe und sein Mitbestimmungsrecht bei der Aufteilung der Arbeitszeit und der Stundenverteilung für pädagogisches Personal ausdrücklich gesetzlich ausgeschlossen sei. Vorsorglich kündigte der Beteiligte gegenüber den Antragstellern die Dienstvere...

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