Normenkette
ZPO § 91a Abs. 1, § 93
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 12.03.2002; Aktenzeichen 15 O 461/01) |
Nachgehend
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen die Kostengrundentscheidung in dem Beschluss der Zivilkammer 15 des LG Berlin vom 12.3.2002 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert beträgt 6.012,69 Euro (11.759,80 DM).
Gründe
1. Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen die Kostengrundentscheidung des LG nach § 91a Abs. 1 ZPO ist gem. § 99 Abs. 2 ZPO zulässig (Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 99 Rz. 8), aber nicht begründet. Das LG hat dem Antragsgegner zu Recht die Kosten des Verfahrens gem. § 91a Abs. 1 ZPO auferlegt. § 93 ZPO ist vorliegend nicht zu Gunsten des Antragsgegners entspr. anwendbar.
Der Antragsgegner, der nach Eingang des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung ggü. der Antragstellerin eine vertragsstrafebewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und die geforderten Auskünfte erteilt hat, beruft sich zu Unrecht darauf, dass ihn die Antragstellerin vor Beantragung der einstweiligen Verfügung nicht abgemahnt hat. Eine Abmahnung war vorliegend ausnahmsweise nicht notwendig.
a) Zwar ist der Kläger in Wettbewerbs- und auch in Markensachen im eigenen Interesse grundsätzlich gehalten, vor der Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe den Verletzer abzumahnen. Anderenfalls läuft der Kläger Gefahr, die Kosten nach § 93 ZPO, dessen Grundgedanke auch im Rahmen einer Kostenentscheidung nach § 91a Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen ist (Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 91a Rz. 25 m.w.N.), tragen zu müssen (st. Rspr., BGH GRUR 1957, 353 – Pertussin II; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., UWG, Einl. Rz. 526; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., vor § 13 Rz. 172, jew. m.w.N.). Ebenso gilt aber, dass der Verletzer ausnahmsweise auch ohne Abmahnung Veranlassung zur Klageerhebung (Antragstellung) i.S.d. § 93 ZPO gegeben hat, wenn eine Abmahnung deswegen als entbehrlich anzusehen ist, weil sie aus der Sicht des Klägers voraussichtlich erfolglos geblieben wäre oder aber für den Verletzten unzumutbar ist (Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., vor § 13 Wettbewerbsrecht Rz. 198). Von einer solchen Fallgestaltung ist hier auszugehen.
b) Zwar teilt der Senat die Auffassung, bei vorsätzlichen, Handeln des Verletzers sei eine Abmahnung voraussichtlich erfolglos, mit der überwiegenden obergerichtlichen Rspr. nicht (KG v. 15.8.1988 – 25 W 3478/88, GRUR 1988, 930; Beschl. v. 2.11.2001 – 5 W 215/01; OLG Köln GRUR 1988, 487; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., vor § 13 UWG Rz. 199 m.w.N.). Der Sinn des von der Rspr. entwickelten Erfordernisses der Abmahnung des Verletzers vor Inanspruchnahme (zivil-) gerichtlicher Hilfe dient einer raschen und effektiven Unterbindung des Wettbewerbsverstoßes und der Verhütung gerichtlicher Auseinandersetzungen durch außergerichtliche Unterlassungserklärungen (KG v. 2.6.1987 – 5 W 2258/87, WRP 1988, 167 [168]; vgl. Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., vor § 13 UWG Rz. 173). Daher ist unter Abwägung aller Gesamtumstände im Einzelfall zu prüfen, ob eine Abmahnung aus der Sicht des Verletzten, auf die abzustellen ist, im Zeitpunkt der Antragstellung deswegen entbehrlich war, weil eine Unterlassungserklärung nicht zu erwarten war, oder aber ihm eine Abmahnung unzumutbar war. Das führt jedoch hier zu keinem anderen Ergebnis.
aa) Die Abgabe einer Unterlassungserklärung durch den Antragsgegner auf eine Abmahnung durch die Antragstellerin war nicht zu erwarten. Die Antragstellerin hat durch Vorlage eines Berichtes einer von ihr beauftragten Detektei glaubhaft gemacht, dass sich der Antragsgegner zahlreiche Arzneimittelmuster der Antragstellerin von deren Außendienstmitarbeitern verschafft und mit den Arzneimittelmustern gehandelt hat, obwohl sie nicht verkehrsfähig waren. Im Falle von Agopton handelte es sich, wie die Antragstellerin glaubhaft gemacht hat, um knapp 3.000 Muster, von denen 1.000 Blisterrstreifen entpackt und mit neuen Umkartons versehen worden waren. Die Umkartons ließen nicht mehr erkennen, dass es sich ursprünlich um Arzneimittelmuster gehandelt hat. Der Antragsgegner musste sich bei einer entspr. Abmahnung der Antragstellerin in seinem Tun entdeckt sehen. Bei einem solchen Sachverhalt, der nicht nur zivil-, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen (§ 47 AMG i.V.m. §§ 95 Abs. 1 Ziff. 5, 97 Abs. 2 Ziff. 12 a, 97 Abs. 3 AMG, § 257 StGB) für den Verletzer nach sich ziehen kann, konnte die Antragstellerin nach der gebotenen ex-ante-Betrachtung aus ihrer Sicht zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung nicht erwarten, dass die Abmahnung zu dem von ihr verfolgten Ziel der Abgabe einer Unterlassungserklärung führen würde. Vielmehr ist in solchen Fällen lebensnah mit einem dem Selbstschutz des Verletzers dienenden Leugnen des Vorwurfs und nicht mit einem Eingeständnis zu rechnen. Soweit der Antragsgegner nunmehr in Abrede s...