Leitsatz (amtlich)

Die Scheidung in gegenseitigem Einvernehmen vor einem nicaraguanischen Notar ist eine Privatscheidung ohne konstitutiven Hoheitsakt. Eine Anerkennung im Inland kommt bei Anwendung des deutschen Scheidungsstatuts nicht in Betracht.

 

Normenkette

BGB § 1564; EGBGB Art. 17; FamFG §§ 107-109; Rom III-VO Art. 5, 7-8

 

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1 besitzt die deutsche, der Beteiligte zu 2 die nicaraguanische Staatsangehörigkeit. Am 8. April 2017 schlossen sie in S ... R ... dxx S .../N ... miteinander die Ehe. Anschließend lebten sie gemeinsam bis zum 12. März 2018 in Berlin.

Am 16. Juli 2018 erklärten die Beteiligten zur Urkunde Nr. 1 ... "Acta de Divorcio por la Via del Mutio Consentimiento" des Notars J ... C ... G ... V ... in M .../N ..., sich in gegenseitigem Einvernehmen scheiden zu lassen. Der Notar vermerkte dies im Scheidungsbuch des laufenden Jahres. Am 18. Juli 2018 wurde dies in das bei dem Standesamt Sxx R ... dxx S ... geführte Personenstandsregister eingetragen.

Die Beteiligte zu 1 hat unter dem 29. Januar 2019 bei der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung die Anerkennung der Scheidung ihrer Ehe beantragt. Dazu hat sie u.a. Urkunden des Standesamts S ... R ... d ... S ... vorgelegt, in denen die Auflösung ihrer Ehe "gemäß dem Beschluss des Bezirksrichters für Zivilsachen Dr. J ... C ... G ... V ..." bescheinigt wird.

Die Senatsverwaltung hat den Antrag mit am 2. März 2020 zugestelltem Bescheid vom 26. Februar 2020 zurückgewiesen, nachdem sie die Beteiligte zu 1 vergeblich aufgefordert hatte, den Beschluss des nicaraguanischen Gerichts vorzulegen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1 mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 30. März 2020.

Der Senat hat die Botschaften der Republik Nicaragua in Berlin und der Bundesrepublik Deutschland in Managua um Auskunft gebeten, ob und wie die Beteiligte zu 1 eine Ausfertigung des Scheidungsurteils erlangen könne. Während die Botschaft der Republik Nicaragua dies ausschloss, hat die Botschaft Managua ermittelt, die Scheidung sei nicht vor einem Richter erfolgt, weshalb es auch kein Urteil gebe. Vielmehr sei die Scheidung der Ehe der Beteiligten vor einem Notar erfolgt.

Nunmehr hat die Beteiligte zu 1 die Urkunde Serie "H" Nr. 3 ... des Notars J ... C ... G ... V ... vorgelegt, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 104 und 105 d.A. verwiesen wird.

II. 1. Der Antrag ist statthaft. Die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung hat den Antrag der Beteiligten zu 1 auf Anerkennung der in Nicaragua erfolgten Scheidung ihrer Ehe mit dem Beteiligten zu 2 zurückgewiesen, § 107 Abs. 5 FamFG. Dabei kommt es nicht darauf an, dass das Verwaltungserfahren auf die Anerkennung einer richterlichen Entscheidung gerichtet war, eine solche nach den Ermittlungen des Senats aber gar nicht ergangen ist. Der Beteiligten zu 1 kommt es letztlich allein auf die Anerkennung der in Nicaragua vollzogenen Scheidung an, so dass ihr Antrag vor der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung auch das dortige notarielle Verfahren umfasste.

Vorrangige Rechtsakte der Europäischen Union, vgl. § 97 Abs. 1 S. 2 FamFG, schließen das Verfahren nicht aus. Insbesondere findet Art. 21 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 - Brüssel IIa - keine Anwendung, weil sich der Antrag der Beteiligten zu 1 nicht auf eine in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ergangene Entscheidung bezieht.

2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig. Er ist innerhalb der Antragsfrist, §§ 107 Abs. 7 S. 3, 63 Abs. 1 FamFG, bei dem hierfür zuständigen Kammergericht, § 107 Abs. 5 und 7 S. 1 FamFG (vgl. BGH, FamRZ 2011, 788, 789), gestellt worden.

3. In der Sache bleibt der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ohne Erfolg.

a) Die Voraussetzungen für die Anerkennung der vor dem nicaraguanischen Notar am 16. Juli 2018 erfolgten Scheidung der Ehe der Beteiligten liegen nicht vor. Daran ändert es nichts, dass es der Beteiligten zu 1 nunmehr gelungen ist, eine beglaubigte Abschrift der notariellen Scheidungsurkunde vom 16. Juli 2018 zu erlangen, §§ 26, 27, 30 Abs. 1 FamFG, 418, 420, 438 ZPO (vgl. Dimmler, in: Keidel, FamFG, 20. Aufl., § 107, Rdn. 29), so dass die - im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung zutreffende - Begründung, mit der die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung den Antrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen hat, nicht mehr trägt. Der Senat hat diese neue Tatsachengrundlage zu beachten, §§ 107 Abs. 7 S. 3, 65 Abs. 2 FamFG.

b) Beruht eine im Ausland erfolgte Ehescheidung auf dem konstitutiven Hoheitsakt einer ausländischen Behörde, richtet sich die Frage ihrer Anerkennung im Inland nach den §§ 108, 109 FamFG. Wurde die dortige Scheidung hingegen durch privates Rechtsgeschäft eines oder beider Ehegatten bewirkt, handelt es sich um eine sogenannte Privatscheidung, auch wenn die Ordnungsmäßigkeit de...

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