Leitsatz (amtlich)
1. Der Antrag auf Ermächtigung zur Bekanntmachung von Gegenständen der Beschlussfassung ist im Zweifel dahin auszulegen, dass er für die nächste Hauptversammlung, zu der eine fristgemäße Bekanntmachung noch erfolgen kann, gestellt ist. In diesem Fall tritt eine Erledigung des gerichtlichen Verfahrens in der Hauptsache nicht ein, wenn die Bekanntmachungsfrist für die Hauptversammlung, auf die der Antrag zunächst bezogen war, verstreicht.
2. Der Antrag auf Ermächtigung gem. § 122 AktG ist als rechtsmissbräuchlich zurückzuweisen, wenn er der Durchsetzung rechtlich nicht zu billigender Zwecke dienen soll. Die rechtswidrige oder sonst missbräuchliche Zweckrichtung ist unter Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls festzustellen.
3. Der von einem Mehrheitsaktionär gestellte Antrag auf Ermächtigung zur Bekanntmachung der Beschlussgegenstände: Misstrauensvoten gegen die Vorstandsmitglieder, Abberufung und Neuwahl von Aufsichtsratsmitgliedern kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn die von ihm beabsichtigte Beschlussfassung eine Verletzung seiner Treuepflicht ggü. der Gesellschaft bedeuten würde. Davon ist auszugehen, wenn er die Einsetzung eines neuen Vorstands bezweckt, damit dieser eine von dem amtierenden Vorstand abgelehnte, die Gesellschaft mit überwiegender Wahrscheinlichkeit schädigende Geschäftsführungsmaßnahme durchführt.
Normenkette
AktG § 84 Abs. 3, § 103 Abs. 1, § 122 Abs. 2 u. 3
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 102 T 100/02) |
AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 92 HRB 69750) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde auf 50.000 Euro festgesetzt.
Die Beteiligte zu 2) hat der Beteiligten zu 1) die in den Verfahren der sofortigen ersten und weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
A. Am Grundkapital der im Beschlusseingang bezeichneten, auf dem Energiemarkt tätigen Aktiengesellschaft (zugleich Beteiligte zu 1)) ist die Beteiligte zu 2) mit 75,1 % als Mehrheitsaktionärin beteiligt. Ihre Anteile gehören zu 76 % kommunalen Eignern und zu jeweils 12 % der R. und der T.; an Letzterer sind die AG und die P. mehrheitlich beteiligt. Die übrigen Aktien werden von den drei Vorstandsmitgliedern der Gesellschaft und der M. AG gehalten. Entsprechend dem zwischen den Aktionären bestehenden Konsortialvertrag vom 27.9.2001, der Rechte der Mehrheitsaktionärin zur Entsendung zweier Aufsichtsratsmitglieder und der Minderheitsaktionäre zur Entsendung eines Aufsichtsratsmitglieds vorsieht, besteht der dreiköpfige Aufsichtsrat aus dem Vorstandsvorsitzenden der Beteiligten zu 2), Herrn Dr. D. (als Aufsichtsratsvorsitzendem), und deren Prokurist Herrn Dr. B. (als stellvertretendem Aufsichtsratsvorsitzendem) sowie dem Vorstandsvorsitzenden der M. AG, Herrn Prof. H.
Nachdem sich der Vorstand der Gesellschaft bereits an dem Ministererlaubnisverfahren betreffend das vom Bundeskartellamt zuvor untersagte Zusammenschlussvorhaben … beteiligt hatte, legte er gegen die mit Verfügung des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, vertreten durch Staatssekretär Dr. T., vom 5.7.2002 erteilte Erlaubnis Beschwerde zum OLG Düsseldorf ein und stellte einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde, dem mit Beschluss vom 11.7.2002 stattgegeben wurde. Daraufhin wandte sich Herr Dr. D. mit Schreiben vom 10.7.2002 an den Vorstand der Gesellschaft und erklärte sinngemäß, er habe nicht die Absicht, sich persönlich oder die Beteiligte zu 2) in eine Krisensituation zu ihren Eignern oder zur Bundesregierung zu bringen, und erwarte daher, dass die Gesellschaft die Rechtsmittel unverzüglich zurücknehme. Mit weiterem Schreiben vom 11.7.2002 teilte die Beteiligte zu 2) dem Vorstand mit, dass Herr Dr. D. auf der unverzüglichen Umsetzung der Forderung bestehe, die Rechtsmittel sofort zurückzunehmen, und bat ihn sinngemäß, den in dieser Weise dokumentierten Eignererwartungen gerecht zu werden. Am 17.7.2002 fand ein Gespräch zwischen den Herren Dr. D., Dr. B. und dem Vorstandsmitglied der Gesellschaft Dr. C.R. statt. Nach einem Vermerk des Letzteren vom gleichen Tage, der mit von Herrn Dr. D. mit unterzeichnetem Schreiben der Beteiligten zu 2) vom 18.7.2002 inhaltlich bestätigt wurde, brachten die Vertreter der Beteiligten zu 2) bei dem Gespräch zum Ausdruck, dass sie die sofortige Rücknahme des Antrags bzw. Rechtsmittels erwarteten, und kündigten andernfalls an: „Man würde notfalls den Weg über Vertrauensentzug in der HV und anschließender Abberufung als Vorstände durch den Aufsichtsrat gehen. Dann wäre die Gesellschaft zwar faktisch tot. Ein solcher Weg sei, wenn auch ausdrücklich nicht gewünscht und angestrebt, bereits mit dem AR-Vorsitzenden der (Beteiligten zu 2)) abgestimmt …” .
Die M. AG und Herr Prof. H. erwirkten demgegenüber eine einstweilige Verfügung des LG Berlin, durch die dem Vorstand der Gesellschaft untersagt wurde, Beschwerde und Antrag ohne Zustimmung der Hauptver...