Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertretung eines Kindes in Kindschaftssachen
Leitsatz (amtlich)
Zur Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers zur Wahrnehmung der Verfahrensrechte des Kindes im familiengerichtlichen Verfahren (Genehmigung einer Erbausschlagung).
Normenkette
BGB § 1629 Abs. 2 S. 3, § 1796 Abs. 2; FamFG § 7 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 14.12.2009; Aktenzeichen 162 F 16300/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Ergänzungspflegers, datiert auf den 19.12.2009, gegen den Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 14.12.2009 - 162 F 16300/09 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 3.000 EUR.
Gründe
A. Die Beschwerde betrifft die Frage, inwieweit dem heute 11-jährigen Kind im Zusammenhang mit der Genehmigung einer Erbauschlagung durch den alleinvertretungsberechtigten Elternteil für die Zustellung der Genehmigungserklärung und die Entscheidung über ein eventuelles Rechtsmittel gegen die Genehmigung ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist.
Am 10.9.2009 verstarb in Berlin Herr H. G. R., ohne ein Testament hinterlassen zu haben. Sein Halbbruder und gleichzeitig Vater des minderjährigen Kindes, Herr W. O., schlug die Erbschaft nach H. R. aus, weil der Nachlass vermutlich überschuldet war. Daraufhin erklärte Frau J. B., die allein sorgeberechtigte Mutter des Kindes als dessen Vertreterin am 15.10.2009 ggü. dem Nachlassgericht Wedding (Az. 61 VI 608/09) für das Kind die Ausschlagung der Erbschaft.
Am 19.10.2009 hat die Kindesmutter die familiengerichtliche Genehmigung der Erbauschlagung beantragt. Mit Beschluss vom 14.12.2009 hat das AG Tempelhof-Kreuzberg - Rechtspflegerin - von Amts wegen Ergänzungspflegschaft für das Kind mit dem Wirkungskreis "Vertretung des Kindes hinsichtlich des Beschwerderechts in der Erbausschlagungsangelegenheit nach dem am 10.9.2009 verstorbenen H. G. R." angeordnet und, nachdem es den Beteiligten die beabsichtigte Maßnahme eingehend erläutert und insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt hatte, das Bezirksamt ...-... von Berlin - Jugendamt - zum Pfleger bestellt. Zur Begründung hat das Gericht darauf verwiesen, dass die Kindesmutter von der Vertretung des Kindes im Verfahren der Erbausschlagung ausgeschlossen sei.
Gegen den am 30.12.2009 zugestellten Beschluss hat der bestellte Ergänzungspfleger mit Telefaxschreiben, datiert auf den 9.12.2009, bei Gericht am bzw. vor dem 13.1.2010 eingegangen, Beschwerde eingelegt und die Aufhebung des Beschlusses vom 14.12.2009 beantragt. Zur Begründung hat der Ergänzungspfleger darauf hingewiesen, aus den ihm vorliegenden Unterlagen gehe nicht hervor, dass der sorgeberechtigte Elternteil wegen eines Interessenkonflikts oder aus anderen Gründen gehindert sei, die familiengerichtliche Genehmigung der Erbausschlagung für das minderjährige Kind als gesetzlicher Vertreter entgegenzunehmen oder - falls notwendig - Beschwerde gegen den ergangenen Beschluss einzulegen. Ergänzend hat der Ergänzungspfleger auf ein Rechtsgutachten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht e.V., Heidelberg, vom 16.12.2009, hingewiesen, wonach die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft in Genehmigungsfällen regelmäßig nicht erforderlich sein soll.
B. 1. Die Beschwerde ist zulässig.
a) Bei der Anordnung der Ergänzungspflegschaft, damit das Kind im Erbausschlagungsverfahren vertreten werden kann, handelt es sich um eine Endentscheidung, mit der das Verfahren zur Anordnung von Ergänzungspflegschaft abgeschlossen wird. Hiergegen findet Beschwerde statt, ohne dass eine vorgängige Abhilfe möglich ist (§§ 58 Abs. 1, 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG).
b) Das Jugendamt ist auch beschwerdeberechtigt. Das Jugendamt ist in eigenen Rechten beeinträchtigt (§ 59 Abs. 1 FamFG), weil es mit dem angefochtenen Beschluss entgegen der mit Schreiben vom 9.12.2009 erklärten Weigerung, die Pflegschaft zu übernehmen, zum Ergänzungspfleger bestellt worden ist (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FamFG [16. Aufl. 2009], § 59 Rz. 65). Das Inkrafttreten des FamFG hat insoweit zu keiner Änderung der Rechtslage geführt: Bislang war anerkannt, dass das Jugendamt berechtigt ist, Rechtsmittel gegen die Übertragung einer Pflegschaft einzulegen (vgl. OLG Zweibrücken Rpfleger 2002, 25; BayObLG FamRZ 1989, 1340); insb. wurde es für berechtigt angesehen, (sofortige) Beschwerde gegen die gerichtliche Verfügung zu führen, mit der die Weigerung, die Pflegschaft zu übernehmen, zurückgewiesen wurde (vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 2 FGG sowie Wagenitz in MünchKomm/BGB [5. Aufl. 2008], § 1791b Rz. 13).
c) Der Beschwerdewert von 600 EUR (§ 61 Abs. 1 FamFG) wird überschritten, da mangels hinreichender tatsächlicher Anhaltspunkte der Auffangwert von 3.000 EUR (§ 42 Abs. 3 FamGKG) zugrundezulegen ist (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FamFG [16. Aufl. 2009], § 61 Rz. 13).
d) Die Beschwerdefrist ist gewahrt (§ 63 Abs. 1 FamFG): Die Beschwerde wurde vom Ergänzungspfleger zwar - offenbar irrtümlich - mit einem falschen Datum - dem 9.12.2009 - gekennzeichnet, obwohl der ang...