Leitsatz (amtlich)
›Eine Einstellung nach §§ 707 Abs. 1, 719 ZPO ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Schuldner einen Schutzantrag nach § 712 ZPO nicht gestellt hat, obwohl dieser hätte begründet gestellt werden können.‹
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 15 O 352/99) |
Gründe
Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt nach §§ 707 Abs. 1, 719 ZPO nur dann in Betracht, wenn die gegen das für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteil eingelegte Berufung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (OLG Köln MDR 1975, 850; OLG Celle, NJW-RR 1987, 190; OLG Saarbrücken NJW-RR 1997, 252).
Danach war hier die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen, da gegenwärtig eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die landgerichtliche Entscheidung abgeändert wird. Zur Begründung kann auf die Entscheidungen des Senats zu den Aktenzeichen 5 U 5806/99 und 5 U 5807/99 verwiesen werden.
Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung scheidet auch nicht etwa deshalb aus, weil die Beklagte in der erste Instanz keinen Antrag nach § 712 ZPO gestellt hätte. Abgesehen davon, dass die Beklagte in der ersten Instanz möglicherweise bereits in ihrem Schriftsatz vom 6. August 1999 einen derartigen Antrag gestellt haben könnte, ist nach Auffassung des Senats die Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Schuldner einen Schutzantrag nach § 712 ZPO nicht gestellt hat, obwohl dieser hätte begründet gestellt werden können.
In Rechtsprechung und Literatur ist diese Frage umstritten (vgl. die Nachweise bei Zöller/Herget, ZPO, 21. Auflage § 719 Rdnr. 3 und Musielak/Krüger, ZPO, § 719 Rdnr. 6). Nach Auffassung des Senats lässt sich jedoch ein Subsidaritätsverhältnis zwischen dem Antrag nach §§ 707, 719 ZPO und § 712 ZPO dem Gesetz nicht entnehmen. Dagegen spricht nämlich auch, dass beide Regelungen unterschiedliche Zielrichtungen und infolgedessen verschiedene Voraussetzungen haben. § 712 ZPO hat den Schutz des Schuldners vor nicht zu ersetzenden Vollstreckungsnachteilen im Auge. Bei §§ 707, 719 ZPO kommt es entscheidend auf die Frage der Erfolgsaussicht der Berufung an, während ein drohender unersetzlicher Nachteil lediglich die Modalitäten der Einstellung von Bedeutung ist (so zutreffend MünchKomm/Krüger, ZPO, § 719 Rdnr. 6).
Etwas anderes lässt sich auch nicht aus der Rspr. des BGH zu § 719 Abs. 2 ZPO herleiten (BGH NJW 1983. 455 = MDR 1983, 52). Denn diese Vorschrift regelt ausdrücklich und unter strengeren Voraussetzungen als § 707 Abs. 1 ZPO den nicht vergleichbaren Sonderfall einer Einstellung der Zwangsvollstreckung in der Revisionsinstanz. Die Ausführungen des BGH beziehen sich ausdrücklich auf § 719 Abs. 2 ZPO, der die Einstellungsmöglichkeiten des Schuldners im Vergleich zu den §§ 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO deshalb stark einschränkt, weil der Schuldner nach Durchlaufen von zwei Rechtszügen im Rechtsstreit unterlegen ist. Daraus folgt auch die unterschiedliche Interessenlage derjenigen Parteien, die anders als im Revisionsverfahren noch eine zweite Tatsacheninstanz vor sich haben (OLG Düsseldorf MDR 1987, 415).
Eine Einstellung ohne Sicherheitsleistung kam nicht in Betracht, da die Beklagte nicht glaubhaft gemacht hat, dass sie zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist und die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.
Die Sicherheitsleistung war auf 6.000.000,00 DM festzusetzen. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass der Streitwert in der einstweiligen Verfügung - 5 U 5806/99 - für die zweite Instanz auf 2.000.000,00 DM festgesetzt worden war und somit in der Hauptsache von einem Wert von 6.000.000,00 DM auszugehen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 2962296 |
MDR 2000, 1455 |
OLGR Düsseldorf 2000, 15 |
OLGR Frankfurt 2000, 15 |
OLGR Hamm 2000, 15 |
OLGR Köln 2000, 15 |
KG-Report 2000, 358 |
NJOZ 2002, 194 |
OLGR-BHS 2000, 15 |
OLGR-KSZ 2000, 15 |
OLGR-NBL 2000, 15 |