Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 16.12.2015; Aktenzeichen 306 OWi 56/15) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 16. Dezember 2015 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Polizeipräsident hat gegen den Betroffenen am 15. Dezember 2014 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen innerorts geltenden Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 38 km/h eine Geldbuße von 190 Euro und ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt. Den dagegen eingelegten Einspruch hat der Betroffene in der Hauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Das Amtsgericht Tiergarten hat diese Beschränkung für wirksam gehalten, Feststellungen zur Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung von lediglich 18 km/h getroffen und gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 55,00 Euro festgesetzt.
Zur Begründung hat es Zweifel an der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung wegen der vermuteten Länge des Verbindungskabels von mehr als 3 m zwischen dem Bedienteil des Messgerätes und der Rechnungseinheit angeführt und einen Toleranzabzug von 20 % des Messwertes in Ansatz gebracht.
Die Amtsanwaltschaft hat dagegen Rechtsbeschwerde eingelegt, die von der Generalstaatsanwaltschaft vertreten wird. Zur Begründung trägt sie vor, dass es aufgrund der wirksamen Beschränkung des Einspruchs dem Amtsgericht verwehrt war, abweichende, für den Betroffenen günstigere Feststellungen zur Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung zu treffen und in dessen Folge neben der Herabsetzung des Bußgeldes die Anordnung des Fahrverbotes entfallen zu lassen.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG zulässig, da im Bußgeldbescheid ein Fahrverbot verhängt worden war.
Zwar hat die Amtsanwaltschaft keinen ausdrücklichen Rechtsbeschwerdeantrag gestellt, weil die mit einem entsprechenden Antrag versehene Begründungsschrift vom 21. April 2016 erst am 27. April 2016 beim Amtsgericht eingegangen ist und damit verspätete war. Denn das Urteil ist der Amtsanwaltschaft mit Gründen am 23. März 2016 zugestellt und die Frist war damit am Montag, den 25. April abgelaufen (23. April war ein Sonnabend). Jedoch enthielt der Schriftsatz vom 22. Dezember 2015, mit dem die Rechtsbeschwerde eingelegt wurde, die Erhebung der allgemeinen Sachrüge. Dies reicht auch im Falle der Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft aus, wenn nach den Umständen der Umfang des Anfechtungsziels eindeutig zu bestimmen ist. Das ist vorliegend der Fall. Die zugleich mit dem rechtzeitigen Einlegen der Rechtsbeschwerde erhobene allgemeine Sachrüge ist so zu verstehen, dass das gesamte Urteil angefochten worden ist.
2. Die Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge Erfolg. Denn das Amtsgericht hat den Umfang der Teilrechtskraft aufgrund der Erklärung des Betroffenen, den Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch zu beschränken, rechtsfehlerhaft nicht beachtet.
a) Die Beschränkung des Einspruches auf den Rechtsfolgenausspruch war zulässig. Nach § 67 Abs. 2 OWiG kann der Einspruch auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden. Danach kann das Rechtsmittel auch auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werden, wenn der Bußgeldbescheid die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 OWiG erfüllt. Dies ist hier der Fall. Der Bußgeldbescheid lässt den Schuldvorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung (hier: Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaften von 38 km/h) und die ihn tragenden Tatsachen eindeutig erkennen, ebenso die nach dem Regelbeispiel des § 4 Abs. 1 Nr. 1 BKatV, Tabelle I Buchst. c lfd. Nr. 11.3.6 des Anhangs zu Nr. 11 der Anlage zu § 1 Abs.1 BKatV festzusetzende Geldbuße von 160 Euro und das Fahrverbot von einem Monat. Der Bescheid weist unter Hinweis auf die Voreintragungen eine gegenüber dem Regelsatz erhöhte Geldbuße von 190 Euro aus.
b) Die Beschränkung war auch wirksam.
Denn die Rechtsfolgeentscheidung kann unabhängig von den den Schuldvorwurf tragenden Feststellungen getroffen werden. Eine solche Beschränkung führt nicht nur zur Rechtskraft dieser Feststellungen, sondern auch zur Rechtskraft von Feststelllungen, die der Tat ihr entscheidendes Gepräge geben (vgl. OLG Rostock NJ 2016, 165f m.w.N.). Zu solchen zählt die Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung (OLG Rostock, aaO.).
Diese wirksam erklärte Rechtsmittelbeschränkung des Betroffenen hat daher zur Folge, dass nicht nur das "Ob", sondern auch die Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung in Rechtskraft erwachsen ist.
Nach den Urteilsfeststellungen hat das Amtsgericht rechtsfehlerhaft diese in Rechtskraft erwachsenen Feststellungen nicht der Entscheidung zugrunde gelegt. Vielmehr hat es eigene Feststellungen zur Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung von 18 km/h - offensichtlich durch eine nicht protokollierte Zeugenvernehmung am 16. Dezember 2015 - der Entscheidung über de...