Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines Auffahrunfalls

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 423/06)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 ZPO).

2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

 

Gründe

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist hier nicht der Fall. Der Senat folgt vielmehr den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet werden.

1. Der Kläger macht auf S. 2 der Berufungsbegründung geltend, das LG habe bei seiner Beurteilung übersehen, dass der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs von hinten in das klägerische Fahrzeug hineingefahren ist, es sich also um einen sog. Auffahrunfall gehandelt habe. Bei einem derartigen Unfall spräche aber der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden. Daher müsse - nach dem Standpunkt des LG, das von einem Anscheinsbeweis gegen den Kläger wegen Wendens ausgegangen sei - bei ungeklärtem Unfallhergang der Schaden hälftig geteilt werden.

Diese Argumentation verhilft der Berufung nicht zu einem (Teil-) Erfolg.

a) Denn die Auffassung des Klägers trifft nicht zu, ein Anscheinsbeweis richte sich gegen den Beklagten, da dessen Fahrzeug "von hinten in das klägerische Fahrzeug hinein-gefahren ist" (S. 2 der Berufungsbegründung).

Denn es handelt sich im Streitfall nicht um einen "typischen" Auffahrunfall, an dessen Typizität der Anscheinsbeweis anknüpft.

Der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden wird nämlich nach ständiger Recht-sprechung nicht allein durch den bloßen Zusammenstoß mit einem Vorausfahrenden begründet (vgl. nur KG, Urt. v. 25.9.2003 - 12 U 34/02; Urteil vom 26.8.2004 - 12 U 195/03, KGReport Berlin 2005, 99 = DAR 2005, 157 = VRS 108, 25 = VersR 2005, 1746 L).

Der Anscheinsbeweis kann vielmehr nur dann eingreifen, wenn gegen das Heck des Vorausfahrenden gestoßen wird und bei den Anstoßstellen der Fahrzeuge wenigstens eine Teilüberdeckung von Heck und Front vorliegt (vgl. Senat, VM 1996 Nr. 8; VM 2004, 29 Nr. 26).

Dies ist hier nicht der Fall, weil bei dem streitgegenständlichen Zusammenstoß unstreitig sich das Fahrzeug des Klägers in Querstellung befand und auf der linken Seite beschädigt worden ist (vgl. die Schadensbeschreibung auf S. 3 f. des klägerischen Privatgutachtens mit Lichtbildanlage), während der VW-Bus des Beklagten hauptsächlich an der vorderen rechten Ecke sowie an der rechten Seite Schäden aufweist (Fotos Bl. 61-63 d.A.).

Kollidiert aber ein nachfolgendes Kraftfahrzeug mit seiner vorderen rechten Ecke mit der linken Seite eines zunächst vorausgefahrenen und im Kollisionszeitpunkt - zum Zwecke des Wendens - in Querstellung befindlichen Kraftfahrzeugs, so handelt es sich nicht um den typischen Auffahrunfall, aus dem ein Anscheinsbeweis gegen den Nachfolgenden abgeleitet werden kann.

b) Das LG (UA 5) ist bei diesem Sachverhalt vielmehr zutreffend von einem gegen den Kläger sprechenden Anscheinsbeweis ausgegangen, weil sich der Unfall in örtlichem und zeitlichen Zusammenhang mit dem von der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs eingeleiteten Wendemanöver ereignet hat.

Denn der Wendende muss sich nach § 9 Abs. 5 StVO so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist (höchste Sorgfaltsstufe).

Hierzu gehört auch, dass der Verkehrsteilnehmer, der mittels Abbiegens nach links wenden will, sich rechtzeitig möglichst weit links einzuordnen hat (§ 9 Abs. 1 Satz 2 StVO).

Bereits nach der von der Zeugin M als Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs vor dem LG geschilderten Einleitung des Wendemanöver nebst Skizze war das nicht der Fall ("Ich bin dann so weiter gefahren, wie ich es eingezeichnet habe, d.h. ich bin innerhalb meiner Spur nach rechts gezogen, dabei aber nicht in die rechts daneben liegende Spur geraten "..."ich denke, die linke Spur, in der ich fuhr, ist so breit, dass dort auch zwei Fahrzeuge nebeneinander Platz haben"..., Protokoll vom 27.6.2007, S. 2), wobei nach der von der Zeugin gezeichneten Skizze ihr Bogen nach rechts zwar innerhalb des Fahrstreifens liegt, dessen Breite aber wenigstens zwei Fahrzeugbreiten misst.

War letzteres der Fall, dann spricht - neben dem ungerechtfertigten Verstoß gegen die Pflicht, sich rechtzeitig möglichst weit links einzuordnen - auch viel für einen sorgfalts-widrigen Fahrstreifenwechsel.

Denn "Fahrstreifen ist der Teil einer Fahrbahn, den ein mehrspuriges Fahrzeug zum ungehinderten Fahren im Verlauf der Fahrbahn benötigt" (§ 7 Abs. 1 Satz 2 StVO)

und setzt keine Fahrbahnmarkierung voraus (BGH VersR 2007, 262; KG, VRS 109, 10; NZV 2003, 82; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., StVO § 7 Rz. 5).

Das mag jedoch letztlich d...

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