Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung von Schmerzensgeldansprüchen zum Zwecke der Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit
Normenkette
ZPO § 281 Abs. 2 S. 4
Verfahrensgang
Tenor
Das LG Berlin wird als das sachlich zuständige Gericht bestimmt.
Gründe
I. Das AG Mitte und das LG Berlin streiten über die sachliche Zuständigkeit für einen beim AG Mitte eingereichten Antrag, mit dem der nicht anwaltlich vertretene Kläger Prozesskostenhilfe für die Klage begehrt, die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Girokonto auf Guthabenbasis zu eröffnen und ein Schmerzensgeld wegen Diskriminierung zu zahlen. Später teilte der Kläger ergänzend mit, er verlange eine Entschädigung i.H.v. 500.000 EUR, und beantragte auf Hinweis des AG die Verweisung an das LG. Mit Beschluss vom 1.4.2009 erklärte sich das AG für sachlich unzuständig und verweis die Sache an das LG. Zur Begründung führte das AG aus, der Streitwert übersteige den Betrag von 5.000 EUR, weil bei der Bewertung eines Schmerzensgeldanspruches auf die vom Kläger geltend gemachte Anspruchshöhe abzustellen sei. Mit Beschluss vom 14.4.2009 erklärte sich auch das LG für sachlich unzuständig und legte die Sache dem KG zur Zuständigkeitsbestimmung vor. Zur Begründung führte das LG aus, der Streitwert betrage lediglich 4.490 EUR, weil bei der Bewertung eines Schmerzensgeldanspruches auf das Maß seiner Erfolgsaussicht bei Wahrunterstellung des klägerischen Sachvortrages abzustellen sei. Im Übrigen sei die Höhe der klägerischen Forderung Ausdruck der Verärgerung des Klägers und biete daher keinen sachlichen Anhaltspunkt für die Streitwertfestsetzung.
II.1. Das KG ist gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichtes berufen, nachdem sich zunächst das AG Mitte und sodann das LG Berlin mit nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen für unzuständig erklärt haben. Dabei ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO auch für den Zuständigkeitsstreit im Prozesskostenhilfeverfahren anzuwenden (BGH NJW-RR 1991, 1342; BGH, BGHR ZPO § 36 Nr. 6 Prozesskostenhilfeverfahren 1; Vollkommer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 36 Rz. 2, m.w.N.).
2. Das LG ist jedenfalls gem. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO wegen des Verweisungsbeschlusses des AG sachlich zuständig.
Nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bewirkt der Verweisungsbeschluss im Grundsatz bindend die Unzuständigkeit des verweisenden Gerichtes und die Zuständigkeit des Gerichtes, an das verwiesen wird; dies gilt auch bei einer Verweisung im Prozesskostenhilfeverfahren (ebenso BGH NJW-RR 1991, 1342; KG, Beschl. v. 13.3.2008 - 22 W 17/08). Anerkannt ist jedoch, dass die Bindungswirkung ausnahmsweise entfällt, wenn die Verweisung auf Willkür beruht (vgl. nur BGH NJW 2003, 3201 [3201]; Greger in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 281 Rz. 17 m.w.N.). Dabei ist Willkür nicht allein deshalb anzunehmen, weil die Frage der Zuständigkeit - aus Sicht des nach § 36 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung berufenen, höheren Gerichtes oder aus Sicht der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung - unzutreffend beantwortet wurde. Die Grenze zwischen der fehlerhaften, gleichwohl aber bindenden Entscheidung, und der willkürlichen Entscheidung ist allerdings u.a. dann überschritten, wenn das verweisende Gericht die maßgebliche Zuständigkeitsregel zwar in den Entscheidungsgründen oder in einem vorangegangenen gerichtlichen Hinweisschreiben erörtert, dabei aber zu einem völlig unvertretbaren Ergebnis gelangt (KG, Beschluss vom 29.5.2008, 2 AR 25/08, WM 2008, 1571-1572; Beschluss vom 29.5.2008, 2 AR 20/08, KGReport Berlin 2008, 749-751).
Demgemäß ist vorliegend Willkür nicht zu bejahen. Denn das AG hat in seinem Beschluss die maßgebliche Zuständigkeitsregel erörtert und im Ergebnis jedenfalls nicht völlig unvertretbar zugunsten der Zuständigkeit des LG beantwortet. So ist es zum einen nicht völlig unvertretbar, bei der Bewertung von Schmerzensgeldansprüchen auf die vom Kläger geltend gemachte Anspruchshöhe abzustellen. Diese Auffassung ist zwar in Rechtsprechung und Literatur umstritten, sie wird aber von vielen vertreten und kann möglicherweise sogar als herrschend bezeichnet werden (vgl. nur Wöstmann in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl. 2008, § 3 Rz. 121, m.w.N.; zum Streitstand vgl. Herget in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 3 Rz. 16 "unbezifferte Klageanträge", m.w.N.). Zum anderen ist es keineswegs unvertretbar, den Kläger mit seiner Erklärung beim Wort zu nehmen, er begehre von der Beklagten Zahlung i.H.v. 500.000 EUR. Anhaltspunkt dafür, dass seine Erklärung abweichend von ihrem Wortlaut auszulegen sei, sind nicht ersichtlich. Insbesondere zwingt der Umstand, dass das Motiv des Klägers für die Antragstellung seine Verärgerung ggü. der Beklagten war, nicht zu der Annahme, der Kläger sei mit seinem Antrag nicht ernst zu nehmen. Dasselbe gilt im Hinblick auf den Umstand, dass der Kläger anwaltlich nicht vertreten ist.
III. Ergänzend weist der Senat daraufhin, dass das LG im weiteren Verlauf des Verfahrens zu überprüfen haben wird, ob seine vorläufige Streitwertfestsetzung vom 15.4.2009 unter Berücksichtigu...