Leitsatz (amtlich)
Wird dem Kläger aufgrund eines vor dem 1.7.2004 gestellten Antrags nach diesem Datum Prozesskostenhilfe gewährt, richtet sich die anwaltliche Vergütung nach RVG, wenn, wie es regelmäßig der Interessenlage entspricht, der Rechtsanwalt des Klägers zunächst nur mit der Stellung des PKH-Antrags beauftragt war und der Verfahrensauftrag unter der Bedingung der positiven PKH-Entscheidung erteilt wurde (entgegen OLG Köln v. 25.7.2005 - 25 WF 106/05, OLGReport Köln 2005, 586).
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 10.08.2005; Aktenzeichen 82 AR 168/04) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Das Rechtsmittel ist zulässig. Es kann insoweit dahinstehen, ob die Vorschriften der BRAGO oder des RVG Anwendung finden, weil die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind. Der Beschwerdewert i.H.v. 50 Euro gem. § 128 Abs. 4 S. 1 BRAGO ist erreicht bzw. die Beschwerde durch das LG gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1 Alt. 2, 33 Abs. 3 S. 2 RVG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden. Die Beschwerde ist auch innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG eingelegt worden.
II. Die Vergütung des dem Kläger beigeordneten Rechtsanwalts richtet sich vorliegend nach den Vorschriften des RVG.
Gemäß § 61 Abs. 1 S. 1 RVG sind die BRAGO und Verweisungen hierauf weiter anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG vor dem 1.7.2004 erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist. Werden mehrere dieser Tatbestände erfüllt, kommt es für die Frage, welches Vergütungsrecht Anwendung findet, auf den Zeitpunkt an, zu dem erstmals einer der Tatbestände erfüllt ist (BT-Drucks. 15/1971, 203, re. Sp. zu § 60 RVG-E).
1. Zutreffend ist das LG davon ausgegangen, dass es vorliegend nur auf den Zeitpunkt der (unbedingten) Auftragserteilung für das Klageverfahren ankommt, weil die Beiordnung des Klägervertreters jedenfalls nach dem 1.7.2004 erfolgt ist. Der entsprechende Beschluss des Prozessgerichts war erst am 12.8.2004 ergangen und damit nach dem gem. § 61 Abs. 1 S. 1 RVG maßgeblichen Zeitpunkt ggü. dem Klägervertreter wirksam geworden (OLG Stuttgart AnwBl. 1980, 114; OLG Hamburg JurBüro 1976, 184 f.; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., § 60 Rz. 13). Dagegen spricht nicht die in dem Beschluss enthaltene Bestimmung, die Bestellung erfolge rückwirkend zum 18.6.2004. Zu Recht hat das LG dieser Bestimmung für die Frage des maßgeblichen Zeitpunkts keine Bedeutung beigemessen, weil § 61 Abs. 1 S. 1 RVG allein auf den Erlass des Beiordnungsbeschlusses abstellt.
2. Kam es danach allein auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung an, musste dem Einwand der Beteiligten, dem Klägervertreter sei bereits vor dem 1.7.2004 ein unbedingter Auftrag zur Erhebung der Klage erteilt worden, nicht weiter nachgegangen werden. Es entspricht regelmäßig der Interessenlage, dass der Rechtsanwalt des Klägers zunächst nur mit der Stellung des PKH-Antrags beauftragt ist und der Verfahrensauftrag unter der Bedingung der positiven PKH-Entscheidung erteilt wird (v. Eicken, AnwBl. 1975, 339 [343]; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller/Rabe, RVG-VV, 16. Aufl., Nr. 3335 Rz. 8 f.). Dies ist vom Klägervertreter hier entsprechend vorgetragen worden. Es wird bestätigt durch sein prozessuales Verhalten. So wurde in dem PKH-Antrag vom 18.6.2004 ausdrücklich auf den beigefügten Entwurf einer Klageschrift verwiesen. Dieser Entwurf entsprach noch nicht den Anforderungen an eine Klageschrift, weil er nicht unterschrieben war, vgl. §§ 253 Abs. 4, 130 Nr. 6 ZPO. Erst nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe und seiner Beiordnung hat der Klägervertreter dann eine unterschriebene Klageschrift eingereicht.
Die dem Verfahrensauftrag zugrunde liegende Vollmacht musste nicht zur Akte gereicht werden, weil es insb. auf das Datum ihrer Erteilung nicht ankam. Das Datum der Verfahrensvollmacht lässt nicht auf darauf schließen, ob ein bedingter oder unbedingter Verfahrensauftrag erteilt worden ist, weil die Vollmacht nichts über das Innenverhältnis zwischen Mandant und Verfahrensbevollmächtigtem aussagt (v. Eicken, AnwBl. 1975, 339 [340]; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller/Rabe, RVG-VV, 16. Aufl., Nr. 3335 Rz. 10).
3. Umstritten ist, ob es bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts im Fall der Erteilung eines durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bedingten Verfahrensauftrags auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem der unbedingte Auftrag für das Prozesskostenhilfeverfahren erteilt wurde (OLG Köln AGS 2005, 448, mit zustimmender Anmerkung Schneider; Baumgärtel/Föller/Hergenröder/Houben/Lompe, RVG, 5. Aufl., § 61 Rz. 4; Hartung/Römermann, RVG, § 60 Rz. 27) oder ob der Zeitpunkt des Bedingungseintritts maßgeblich ist (AG Tempelhof-Kreuzberg JurBüro 2005, 365; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller/Rabe, RVG, 16. Aufl., § 60 Rz. 29; Bischof/Jungbauer/Podlich/Trappmann, RVG, § 61 Rz. 26; Goebel/Gottwald, RVG, § 61 Rz. 27; Mayer/Kroiß/Klees, RVG, § 60 Rz. 10; Braun/Hansens, RVG-Praxis, S....