Leitsatz (amtlich)

Wird ein Negativbeschluss angefochten und gleichzeitig die Verpflichtung zur Vornahme der abgelehnten Maßnahme verlangt, handelt es sich um eine wirtschaftliche Identität, die eine Zusammenrechnung der Streitwerte nicht rechtfertigt.

 

Normenkette

GKG § 49a; WEG § 21 Abs. 8

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 53 S 2/18 WEG)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Kläger gegen den Streitwertbeschluss des Landgerichts Berlin vom 22. Januar 2019 - 53 S 2/18 - wird zurückgewiesen.

II. Kosten werden nicht erstattet.

III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Kläger wenden sich mit ihrer Anfechtungsklage gegen zwei Negativbeschlüsse. Zugleich stellen sie zwei Beschlussersetzungsanträge.

Gegenstand des ersten Negativbeschlusses zum Tagesordnungspunkt (TOP) 8 ist ein Beschlussantrag, namens der Wohnungseigentümergemeinschaft ... einen Statiker mit der Prüfung eines Dachstuhls bei voraussichtlichen Kosten von maximal 4.000,00 EUR zu beauftragen und hierfür eine Sonderumlage in Höhe von 4.000,00 EUR zu beschließen. Gegenstand des zweiten Negativbeschlusses zu TOP 10 ist der Beschlussantrag, das durch die Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums zerstörte Sondereigentum der Kläger instand zu setzen, wobei von geschätzten Kosten bis zu 50.000,00 EUR ausgegangen wird. Hierfür soll eine Sonderumlage in Höhe von 50.000,00 EUR erhoben werden. Gegenstand des ersten Beschlussersetzungsantrages ist die Anordnung von Maßnahmen zur statischen Überprüfung und Instandsetzung der Dachkonstruktion, Gegenstand des zweiten die Wiederherstellung des für die Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums in Anspruch genommenen Sondereigentums der Kläger.

Mit Beschluss vom 22. Januar 2019 hat das Landgericht für alle Anträge und ohne nähere Unterscheidung einen Gesamtstreitwert von 53.000,00 EUR festgesetzt. Gegen diesen ihnen am 31. Januar 2019 zugestelltem Beschluss haben die Kläger mit beim Landgericht am 1. März 2019 eingegangenem Schriftsatz vom 1. März 2019 Beschwerde mit dem Antrag eingelegt,

den Streitwert auf 26.865,00 EUR festzusetzen.

Für den Negativbeschluss zu TOP 8 sei gemäß § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG ein Wert von 1.990,00 EUR anzusetzen (= 4.000,00 [Höhe der Sonderumlage] × 995/10.000 [Größe des Miteigentumsanteils der Kläger] × 5), für den Negativbeschluss zu TOP 10 hingegen ein Wert von 24.875,00 EUR (= 50.000,00 [Höhe der Sonderumlage] × 995/10.000 [Größe des Miteigentumsanteils der Kläger] × 5). Für die Beschlussersetzungsanträge wird kein Wert benannt.

Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 5. April 2019 nicht abgeholfen. Gegenstand des in der Berufung gestellten Anfechtungs- und Beschlussantrages sei die Wiederherstellung des Sondereigentums der Kläger zu geschätzten Kosten in Höhe von 50.000,00 EUR sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu geschätzten Kosten in Höhe von 3.000,00 EUR gewesen. Für die Wiederherstellung des Sondereigentums sei das Interesse der Kläger mit 50.000,00 EUR anzusetzen, das gemäß § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG nicht unterschritten werden dürfe. Der Streitwert orientiere sich insoweit nicht an einer etwaigen anteiligen Kostenbelastung der Kläger, da diese die vollständige Wiederherstellung ihres Sondereigentums auf Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer begehrten. Ob für die Einholung eines Sachverständigengutachtens ein anderer Wert anzusetzen sei, könne dahinstehen. Selbst wenn man den Streitwert mit den Klägern insoweit auf einen Wert von 1.990,00 EUR herabsetzen würde, käme es dadurch zu keinem Gebührensprung.

B. Die statthafte (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG) und zulässige Beschwerde (§§ 68 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 und Satz 5, 63 Abs. 3 Satz 2, 66 GKG) - über die der Einzelrichter zu entscheiden hat (§§ 68 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1, 63 Abs. 3 Satz 6, 66 Abs. 6 Satz 1 GKG) - ist unbegründet.

I. Zu betrachten sind insgesamt vier Anträge. Wird indes ein Negativbeschluss angefochten und gleichzeitig die Verpflichtung zur Vornahme der abgelehnten Maßnahme verlangt, handelt es sich um eine wirtschaftliche Identität, die eine Zusammenrechnung der Streitwerte für die beiden Anträge nicht rechtfertigt und jeweils eine einheitliche Betrachtung von TOP 8 und TOP 10 mit dem jeweiligen Beschlussersetzungsantrag erfordert (ganz herrschende Meinung, siehe nur OLG Celle, Beschluss vom 14. Januar 2010 - 4 W 10/10, ZWE 2010, 190; LG Hamburg, Beschluss vom 13. Juni 2013 - 318 T 17/13, BeckRS 2014, 10235; MüKoBGB/Engelhardt, WEG, 7. Auflage 2017, § 43 Rn. 43; Beck'sche Online-Formulare Prozess/Ott, 01.01.2019, 15.4.13 Rn. 13; BeckOK Streitwert/Mayer, 01.01.2018, § 49a GKG Rn. 13; Mayer/Kroiß/Rohn, RVG, 7. Auflage 2018, Anhang I VI. Streitwerte bei Miet-, Pacht- und ähnlichen Nutzungsverhältnissen und in WEG-Sachen, Rn. 84; Hügel/Elzer, WEG, 2. Auflage 2018, Nach § 50 Rn. 13 "Negativbeschluss"; BeckOK WEG/Elzer, 01.02.2019, § 43 Rn. 224 "Negativbeschluss"; anderer Ansicht Bergerhoff, in: Bärmann/Seuß, Praxis des Wohnungseigentums 7. Auflage 2017, § 81 Rn. 18 Fn. 13).

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