Leitsatz (amtlich)
Ein Antrag auf Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses (§ 1319 Abs. 1 Satz 1 BGB) kann nicht allein deshalb als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen werden, weil die Verlobten sich nie persönlich begegnet sind (Abgrenzung zu OLG Naumburg, StAZ 2003, 112 f.). Auch ein Kennenlernen durch die Benutzung digitaler Kommunikationsformen (via Skype/chat-rooms/facebook) ohne eine persönliche Begegnung schließt die Ernsthaftigkeit des Willens zur Eheschließung nicht aus.
Tenor
1. Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 29.3.2012 wird aufgehoben.
2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Befreiung vom Erfordernis der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses zu erteilen.
3. Außergerichtliche Kosten der Antragstellerin sind nicht zu erstatten. Der Geschäftswert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die am 2... J...19...geborene Antragstellerin ist thailändische Staatsangehörige und lebt in ihrem Heimatland. Sie ermächtigte ihren am 1... 0... 19...geborenen Verlobten Herrn B...B..., der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, am 21.2.2012 die Eheschließung anzumelden. Dieser beantragte unter dem 6.3.2012 im Namen der Antragstellerin die Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses, da Thailand kein Ehefähigkeitszeugnis ausstellt.
Herr B.unterschrieb ferner für die Verlobten eine Erklärung, dass sie die Ehe zum Zwecke einer ehelichen Lebensgemeinschaft schließen wollen. Wegen des weiteren Sachverhalts im Einzelnen wird auf die eidesstattliche Versicherung des Herrn B.vom 14.5.2012 (Bl. 33 d.A.) Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin hat den Antrag auf Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitzeugnisses mit Bescheid vom 29.3.2012 - ....-, zugestellt am 4.4.2012, mit der Begründung zurückgewiesen, dieser sei rechtsmissbräuchlich. Der Rechtsmissbrauch ergebe sich ausschließlich aus dem Umstand, dass sich die Verlobten noch nie persönlich begegnet seien. Eine Kommunikation über die Internetdienste skype oder andere chat-Programme ersetze nicht das Erfordernis vorherigen persönlichen Kennenlernens.
Hiergegen richtet sich der am 4.5.2012 beim KG eingegangene Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 23 EGGVG.
II. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gem. §§ 23 ff. EGGVG zulässig, insbesondere gem. § 26 EGGVG form- und fristgerecht gestellt worden.
Er hat in der Sache auch Erfolg, weil die Antragsgegnerin die Befreiung der Antragstellerin vom Erfordernis der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses nach § 1309 Abs. 2 BGB zu Unrecht abgelehnt hat.
Es ist nicht offensichtlich, dass die Ehe nach § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB als sog. "Scheinehe" aufhebbar wäre.
1. Gemäß § 1309 Abs. 1 BGB soll, wer hinsichtlich der Voraussetzungen der Eheschließung vorbehaltlich des Art. 13 Abs. 2 EGBGB ausländischem Recht unterliegt, eine Ehe nicht eingehen, bevor er ein Zeugnis der inneren Behörde seines Heimatstaates darüber beigebracht hat, dass der Eheschließung nach dem Recht dieses Staates kein Ehehindernis entgegensteht. Gemäß § 1309 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Präsident des OLG von diesem Erfordernis eine Befreiung erteilen. Diese Befreiung soll nur Staatenlosen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland und Angehörigen solcher Staaten erteilt werden, deren Behörden keine Ehefähigkeitszeugnisse i.S.d. Abs. 1 ausstellen (§ 1309 Abs. 2 Satz 1 BGB). In besonderen Fällen darf sie auch Angehörigen anderer Staaten erteilt werden (§ 1309 Abs. 2 Satz 3 BGB).
Die am 2... J...19...geborene Antragstellerin ist ausweislich ihres bei der Anmeldung zur Eheschließung vorgelegten, am 9.11.2007 vom Außenministerium ausgestellten Reisepasses Nr. G., Staatsangehörige von Thailand. Anlass zu Zweifeln an ihrer Identität und Staatsangehörigkeit besteht in diesem Verfahren nicht. Thailand stellt ihren Staatsangehörigen für die Eheschließung im Ausland kein Ehefähigkeitszeugnis aus; eine Befreiung der Antragstellerin vom Erfordernis der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses ist daher grundsätzlich erforderlich.
2. Die Antragsgegnerin geht weiter zutreffend davon aus, dass die Regelung des § 1310 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 i.V.m. § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB, wonach der Standesbeamte bei offenkundigem Vorliegen eines Aufhebungsgrundes wie der übereinstimmend nicht beabsichtigten ehelichen Lebensgemeinschaft die Mitwirkung an der Eheschließung verweigern muss, da der Aufhebungsgrund zugleich als materiell-rechtliches Ehehindernis normiert ist, dessen Vorliegen die Eheschließung hindert. Da gem. Art. 13 Abs. 1 EGBGB die materiellen Voraussetzungen der Eheschließung dem Heimatrecht jedes Verlobten unterliegen, greift das genannte Ehehindernis als zweiseitiges Verbot (Coester in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., Rz. 58 zu § 13 EGBGB) ein, wenn deutsches materielles Eheschließungsrecht für einen der Verlobten maßgebend ist (vgl. hierzu und zum Folgenden KG NJW-RR 2001, 1373, 1374 m. umfangr. Nachw.). Dies ist vorliegend wegen der deutschen Staatsangehörigkeit des Verlobten der Antragstellerin der Fall.
Das Vorliegen eines Ehehinderni...