Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Aktenzeichen 140 FH 37/19) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 10.01.2020 aufgehoben.
2. Den Antragstellern wird mitgeteilt, dass der Antragsgegner in zulässiger Weise Einwendungen gegen die Festsetzung des Unterhalts im vereinfachten Verfahren erhoben hat. Es wird darauf hingewiesen, dass das streitige Verfahren auf Antrag eines Beteiligten vor dem Amtsgericht durchgeführt wird.
3. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf die Wertstufe bis 10.000 EUR festgesetzt.
5. Dem Antragsgegner wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin UXXXX ZXXXXX bewilligt.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. Der Beschluss des Amtsgerichts vom 10.01.2020 ist aufzuheben.
Im Einzelnen:
1. Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere steht der Zulässigkeit § 256 S. 2 FamFG nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift ist die Beschwerde unzulässig, wenn sie sich auf Einwendungen im Sinne von § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG stützt, die nicht erhoben waren, bevor der Festsetzungsbeschluss erlassen war. Dazu gehört auch der Einwand der fehlenden Leistungsfähigkeit, den der Antragsgegner erhoben hat (vgl. § 252 Abs. 4 FamFG). Zwar hat der Antragsgegner den Einwand erst im Beschwerdeverfahren geltend gemacht, dennoch greift die Ausschlusswirkung nach § 256 S. 2 FamFG nicht ein, weil dem Antragsgegner weder die Antragsschrift noch das Hinweisschreiben des Amtsgerichts gemäß § 251 FamFG vom 27.11. 2019 wirksam zugestellt worden sind (vgl. das Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 17.02.2020, auf das insofern Bezug genommen wird). Es kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher Verfahrensfehler allein dazu führt dazu führt, dass der angefochtene Beschluss aufzuheben ist (so z. B. OLG Bamberg, Beschluss vom 20.12.2016 - 2 WF 254/16 - BeckRS 2016, 111467). Jedenfalls kann nach dem Grundsatz eines fairen Verfahrens die Ausschlusswirkung nach § 256 S. 1 FamFG nicht eingreifen, wenn der Anspruchsgegner in Folge eines Verfahrensfehlers von vornherein nicht die Möglichkeit hat, die Einwendung der fehlenden Leistungsfähigkeit im erstinstanzlichen Verfahren zu erheben. (so auch u.a. OLG Celle, Beschluss vom 21.09.2011, 17 UF 161/11 m.w.N.).
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Der Antragsgegner hat seine fehlende Leistungsfähigkeit hinreichend dargelegt; die diesbezüglichen Anforderungen nach § 252 Abs. 4 FamFG sind erfüllt. In diesem Fall ist in der gemäß § 69 Abs. 1 S. 1 FamFG vom Beschwerdegericht zu treffenden eigenen Sachentscheidung der Festsetzungsbeschluss ersatzlos aufzuheben. Eine darüber hinaus gehende Entscheidung in der Sache kann durch das Beschwerdegericht nicht getroffen werden. Dies beruht auf den Besonderheiten des vereinfachten Verfahrens, in dem eine materiellrechtliche Prüfung von zulässigen Einwendungen nach § 252 Abs. 2 FamFG nicht vorgesehen ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.07.2012 - 18 WF 19/12 - BeckRS 2012, 19001).
Der aus der Beschlussformel zu 2. ersichtliche Hinweis folgt aus § 254 FamFG (vgl. OLG Hamburg Beschluss vom 29.01.2019 - 12 WF 198/18 - BeckRS 2019, 10805).
3. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 243 FamFG. Nachdem die Notwendigkeit der Einleitung des Beschwerdeverfahrens von keinem der Beteiligten veranlasst war und ein materiellrechtliches Obsiegen oder Unterliegen eines der Beteiligten im Beschwerdeverfahren nicht festzustellen ist, entspricht es billigem Ermessen, von der Erhebung von Gerichtskosten abzusehen und die Kosten im Übrigen gegeneinander aufzuheben (siehe dazu OLG Karlsruhe a.a.O.).
Die Festsetzung des Beschwerdewertes hat seine Grundlage in § 51 FamGKG.
4. Dem Antragsgegner ist gemäß §§ 113 Abs. 1, 114 ff. Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen.
Fundstellen
Dokument-Index HI14268182 |