Ein gerichtlicher Umgangsvergleich schließt Telefonkontakte nicht aus
Die Auslegung gerichtlicher Umgangsregelungen betreffend den nicht sorgeberechtigten Elternteil mit seinem Kind ist häufig Anlass für Meinungsverschiedenheiten zwischen den Eltern, die dann von den Gerichten im Rahmen vollstreckungsrechtlicher Verfahren zu klären sind. Das KG Berlin hat in einem solchen Streitfall entschieden, dass die in einem gerichtlich gebilligten Vergleich getroffene Regelung zu den Umgangszeiten eines Vaters mit seinem Kind eine telefonische Kontaktaufnahme außerhalb der geregelten Umgangszeiten nicht ausschließt.
Gerichtlich gebilligter Umgangsvergleich enthielt kein Telefonverbot
Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung war ein zwischen den beteiligten Elternteilen Anfang 2023 geschlossener gerichtliche Umgangsvergleich, wonach die Umgangszeiten des Kindesvaters zeitlich exakt festgelegt wurden. Neben dem Vergleich wurde in dem Terminprotokoll ein einfacher Vermerk über ein Einvernehmen der Kindeseltern dahingehend aufgenommen, dass der Kindesvater seinen Sohn ausschließlich Dienstagabends zwischen 18:30 Uhr und 19:30 Uhr anrufen darf.
Kindesmutter beantragt Ordnungsgeld wegen übermäßiger Telefonkontakte
Nachdem der Kindesvater mehrfach auch außerhalb der laut Terminprotokoll vereinbarten Anrufzeit telefonisch Kontakt zu seinem Sohn aufgenommen hatte, beantragte die Kindesmutter die vollstreckungsrechtliche Festsetzung eines Ordnungsgeldes. Sie vertrat die Auffassung, durch die außerplanmäßigen Telefonate habe der Kindesvater gegen den gerichtlichen Umgangsvergleich verstoßen.
Nur gerichtlich gebilligte Vereinbarungen sind Vollstreckungstitel
Der Antrag der Kindesmutter auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes gemäß § 89 Abs. 1 FamFG hatte weder erstinstanzlich vor dem AG noch anschließend vor dem KG Erfolg. Das OLG stellte zunächst klar, dass die im Anschluss an den förmlich protokollierten Umgangsvergleich aufgenommene und nicht ausdrücklich gerichtlich gebilligte Vereinbarung der Eltern, wonach der Vater mit seinem Sohn nur dienstags zwischen 18:30 Uhr und 19:30 Uhr telefonieren darf, kein vollstreckbarer Titel im Sinne des § 86 FamFG ist. Eine vollstreckbare Umgangsvereinbarung setze gemäß § 156 Abs. 2 Satz 2 FamFG eine ausdrückliche gerichtliche Billigung voraus. Aus der ins Terminprotokoll aufgenommenen Erklärung der Kindeseltern könnten daher keine vollstreckungsrechtlichen Folgen und damit auch nicht die Festsetzung eines Ordnungsgeldes hergeleitet werden.
Auslegungsprobleme bei Umgangsvergleichen
Nach Auffassung des OLG stellen die unplanmäßigen Anrufe des Kindesvaters auch keinen Verstoß gegen den gerichtlich gebilligten Umgangsvergleich als solchen dar. Es sei schon zweifelhaft, ob aus einer gerichtlich gebilligten Vereinbarung der Umgangszeiten der Umkehrschluss gezogen werden kann, dass außerhalb der Umgangszeiten ein persönlicher physischer Umgang mit dem Kind untersagt ist (ablehnend: OLG Frankfurt, Beschluss v. 5.6.2023, 6 WF 68/23). Nach heute überwiegender Meinung der Obergerichte stelle eine kurzzeitige persönliche Kontaktaufnahme außerhalb der geregelten Umgangszeiten jedenfalls dann keine Zuwiderhandlung gegen den Umgangstitel dar, wenn eine solche Kontaktaufnahme nach dem Umgangstitel nicht ausdrücklich untersagt ist (OLG Frankfurt, Beschluss v. 13.9.2017, 5 WF 63/16).
Umgangsregelung ist kein Hindernis für außerplanmäßige Telefonkontakte
Auch das KG sieht für eine telefonische Kontaktaufnahme außerhalb der gerichtlich gebilligten Umgangsvereinbarung im konkreten Fall kein Hindernis. Für diese Auffassung spreche auch, dass aus dem gerichtlichen Vergleich für den Verpflichteten nicht hinreichend deutlich werde, dass er bereits im Fall eines Telefonats mit Ordnungsmitteln zu rechnen habe. Er habe nicht annehmen können, dass der gemäß § 89 Abs. 2 FamFG obligatorische gerichtliche Hinweis auf die Vollstreckbarkeit des Umgangsvergleichs (Warnfunktion) sich auch auf mögliche Zuwiderhandlungen gegen die in den Titel nicht aufgenommene Regelung der Telefonkontakte beziehen würde.
Auch Kontakte über Messenger-Dienste sind nicht per se verboten
Zu berücksichtigen sind nach Auffassung des Senats auch die immer vielfältigeren Kontaktmöglichkeiten der digitalen Kommunikation. Soweit deren Handhabung im gerichtlichen Vergleich nicht ausdrücklich geregelt sei, könne dem Umgangsberechtigten nicht verboten werden, dem Kind beispielsweise Kurznachrichten via Handy oder über WhatsApp zu senden. Nehme man ein Verbot jeglicher Kontaktaufnahme außerhalb des geregelten Umgangs an, so würde dies die Beziehung zwischen Kind und dem umgangsberechtigten Elternteil in unnatürlicher und unangemessener Weise einengen.
Einzelfallbezogene Auslegung des Unterhaltstitels erforderlich
Das KG legte in seiner Entscheidung maßgeblichen Wert auf die exakte Auslegung des jeweiligen konkreten Vollstreckungstitels. Entscheidend sei, dass für den Verpflichteten, bei verständiger und objektiver Betrachtung hinreichend deutlich wird, was genau mit der Regelung von ihm verlangt wird. Bei der Auslegung dürfe auch die elterliche Wohlverhaltenspflicht nach § 1684 Abs. 2 BGB herangezogen werden.
Kurzfristige Kontaktaufnahmen außerhalb der Umgangszeiten sind erlaubt
Im konkreten Fall enthält der gerichtlich gebilligte Umgangsvergleich nach der Bewertung des KG keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass neben den vereinbarten Umgangszeiten des physischen Zusammenseins zwischen Kind und Vater keinerlei sonstige Kontaktaufnahme, sei es per Telefon sei es über Messenger-Dienste und ähnliches gestattet sei. Aus der im Anschluss an den gerichtlich gebilligten Umgangsvergleich protokollierten Einigung über Telefonate an Dienstagen folgt nach der Auslegung des Gerichts, dass diese Telefonate gerade nicht Gegenstand des gerichtlich gebilligten Umgangstitels sein sollten. Diese private Vereinbarung dürfe nicht in den gerichtlich gebilligten Vergleich hineingelesen und damit entgegen der gesetzlichen Regelung vollstreckbar gemacht werden.
Antrag auf Ordnungsgeld abgewiesen
Der vollstreckungsrechtliche Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes ist nach der Entscheidung des KG daher von der Vorinstanz zu Recht abgewiesen worden.
(KG Berlin, Beschluss v. 15.8.2023, 17 WF 51/23)
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