Leitsatz (amtlich)
1. Welche Formen des Umgangskontakts von einer konkreten Umgangsregelung ausgeschlossen sind, ist es eine Frage der Auslegung des Titels im Einzelfall.
2. Bei der Auslegung von Umgangstiteln gilt der Grundsatz, dass dem Verpflichteten bei verständiger und objektiver Betrachtung hinreichend deutlich sein muss, was mit der Regelung von ihm verlangt wird. Dabei dürfen allerdings die Anforderungen mit Blick auf die Effektivität der Vollstreckung von Umgangstiteln und die elterliche Wohlverhaltenspflicht nach § 1684 Abs. 2 BGB nicht überspannt werden, sondern diese Aspekte sind im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigen.
3. Anrufe eines Elternteils beim Kind stellen keine Zuwiderhandlung gegen einen gerichtlich gebilligten Vergleich dar, in dem (nur) die Termine für den persönlichen Regel- und Ferienumgang geregelt sind, wenn eine zugleich von den Eltern getroffene formlose Vereinbarung über Telefontermine ausdrücklich nicht in den zu billigenden Umgangsvergleich aufgenommen worden ist.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Aktenzeichen 155A F 1049/23) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kreuzberg vom 11.04.2023 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe
I. In dem auf Anregung der Mutter vom 20.01.2023 eingeleiteten Umgangsverfahren 155A F 1049/23 schlossen die Eltern in Bezug auf ihren 10-jährigen Sohn M. im Termin am 26.01.2023 folgenden Umgangsvergleich:
"1. Der Kindesvater ist berechtigt, am 05.02.2023 und an einem Tag des Wochenendes vom 11./12.02.2023 mit M. bis zu sechs Stunden zusammen zu sein. Der Umgang wird von Frau J. und Frau N. begleitet.
2. Ab der 08. Kalenderwoche ist der Kindesvater berechtigt und verpflichtet, mit M. in den geraden Kalenderwochen von Freitag nach der Schule bis Sonntag, 19 Uhr, zusammen zu sein. M. wird sonntags mit dem Kindesvater Abendbrot essen. In der Umgangszeit wird M. seine Hausaufgaben erledigen. Der Kindesvater holt M. von der Schule ab und bringt ihn in den Haushalt der Kindesmutter zurück."
Der Vergleich wurde laut Terminsvermerk vorgelesen und genehmigt.
Im Anschluss wurde in den Terminsvermerk aufgenommen:
"Die Kindeseltern sind sich einig, dass der Kindesvater M. jeden Dienstag von 18.30 Uhr bis 19.30 Uhr anrufen kann.
Außerhalb dieser Zeit wird der Kindesvater M. nicht anrufen.
M. steht es frei, den Kindesvater jederzeit anzurufen."
Diese Vereinbarung wurde laut Terminsvermerk nicht vorgelesen und genehmigt.
Am 26.01.2023 hat das Amtsgericht gemäß § 156 Abs. 2 FamFG folgenden Billigungsbeschluss erlassen:
"Der Vergleich vom 26.01.2023 wird mit folgendem Inhalt gebilligt:
[...]
2. Ab der 08. Kalenderwoche ist der Kindesvater berechtigt und verpflichtet, mit M. in den geraden Kalenderwochen von Freitag nach der Schule bis Sonntag, 19 Uhr, zusammen zu sein. M. wird sonntags mit dem Kindesvater Abendbrot essen. In der Umgangszeit wird M. seine Hausaufgaben erledigen. Der Kindesvater holt M. von der Schule ab und bringt ihn in den Haushalt der Kindesmutter zurück."
Ferner enthält der Beschluss einen Hinweis auf die Vollstreckbarkeit nach § 89 Abs. 2 FamFG. Der Billigungsbeschluss ist den Eltern zugestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 17.02.2023 hat die Mutter mitgeteilt, der Vater habe den Sohn auch außerhalb der vereinbarten Zeiten angerufen und bis zu 46 Minuten mit diesem gesprochen, nämlich am Sonntag den 05.02.2023, Samstag den 11.02.2023, Sonntag den 12.02.2023, Montag den 13.02.2023 und Freitag den 17.02.2023. Sie hat beantragt, gegen den Vater ein Ordnungsgeld zu verhängen, alternativ die Telefonregelung ausdrücklich in die gerichtliche Billigung mit aufzunehmen. Im Termin sei ausdrücklich thematisiert worden, dass der Vater sich außerhalb der vereinbarten Zeiten eines Umgangs zu enthalten habe und auch ein Telefonat oder WhatsApp-Kontakt Umgang darstelle.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 11.04.2023 den Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsmittels und den Antrag auf Aufnahme der Telefonregelung in den gerichtlich gebilligten Vergleich zurückgewiesen. Die Regelung zu den Telefonkontakten sei nicht vollstreckbar, weil sie nicht in den Vergleich aufgenommen worden sei. Die Eltern seien im Anhörungstermin einig gewesen, dass die Telefonkontakte nicht in den Umgangsvergleich aufgenommen werden sollen. Eine nachträgliche Aufnahme in den gebilligten Vergleich sei nicht möglich, weil der Vater damit nicht einverstanden sei.
Die Mutter hat gegen den Beschluss mit Schriftsatz vom 28.04.2023 sofortige Beschwerde eingelegt, soweit der Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes zurückgewiesen worden ist. Zur Begründung hat sie unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Kammergerichts vom 12.02.2015 - 13 WF 203/14 (FamRZ 2015, 940) vorgetragen, dass ein Umgangsvergleich auch immer ein Gebot an den Umgangsberechtigten umfasse, sich außerhalb der vereinbarten Umgangszeiten eines Umgangs zu enthalten. Hiervon seien alle Formen der Kontaktaufnahme umfasst, auch die telefonische Kommunikation. Dies sei i...