Leitsatz (amtlich)
Die Empfangnahme der Berufungsschrift und des Berufungsbegründungsfristverlängerungsantrages sind instanzzugehörige Tätigkeiten i.S.v. § 19 RVG, die durch die erstinstanzlichen Gebühren abgegolten sind.
Verfahrensgang
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 26.7.2005 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Berlin vom 15.7.2005 i.d.F. des Beschlusses vom 31.8.2005 - 101. O. 154/04 - aufgehoben und der Antrag der Klägerin vom 12.7.2005 auf Festsetzung der Kosten für die zweite Instanz zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Der Beschwerdewert beträgt 1.222,18 EUR.
Gründe
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung einer Verfahrensgebühr für die Berufungsinstanz zusteht.
Das LG hatte dem entsprechenden Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin zunächst stattgegeben. Unter teilweiser Abhilfe der von der Beklagten hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde hat es die ermäßigte Gebühr gem. Nr. 3201 RVG-VV festgesetzt, weil der Auftrag endete, bevor der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, dem lediglich die Berufungsschrift und der Berufungsbegründungsfristverlängerungsantrag zugestellt worden war, einen Sachantrag gestellt hatte.
Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist auch insoweit, als das LG ihr nicht abgeholfen hat, begründet.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Erstattung einer Verfahrensgebühr (Nr. 3200/3201 RVG-VV) für die zweite Instanz zu. Eine solche Gebühr ist gem. Vorbem. 3 Abs. 2 RVG-VV nicht entstanden.
Eine Verfahrensgebühr entsteht nach der vorgenannten Regelung für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information, d.h. sobald der Prozessbevollmächtigte eine unter die Verfahrensgebühr fallende Tätigkeit zur Ausführung des Prozessauftrags für die zweite Instanz ausgeübt hat (vgl. Gerold/Schmidt, RVG-VV, Kommentar, 16. Aufl., Vorbem. 3 Rz. 29). Die den Kostenansatz begründenden Voraussetzungen hat der Antragsteller darzulegen und gem. § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO glaubhaft zu machen. Dem ist die Klägerin hier nicht hinreichend nachgekommen.
Zumindest zweifelhaft ist bereits, ob überhaupt ein Prozessauftrag für die zweite Instanz vorlag. Allein die Erteilung einer Verfahrensvollmacht für alle Instanzen, auf die die Klägerin sich hier beruft, reicht für die Annahme einer (stillschweigenden) Auftragserteilung nicht aus, da die Vollmacht lediglich das Außenverhältnis ggü. Dritten betrifft (vgl. Gerold/Schmidt, RVG-VV, Kommentar, 16. Aufl., Nr. 3100 Rz. 15; RVG-VV Nr. 3200 Rz. 4).
Jedenfalls kann nicht festgestellt werden, dass der Anwalt der Klägerin eine unter die Verfahrensgebühr für die zweite Instanz fallende Tätigkeit ausgeübt hat. Die Empfangnahme der Berufungsschrift und des Berufungsbegründungsfristverlängerungsantrages sind instanzzugehörige Tätigkeiten i.S.v. § 19 RVG, die durch die erstinstanzlichen Gebühren abgegolten sind (§§ 15, 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG; vgl. OLG Koblenz JurBüro 1988, 871, KG JurBüro 1986, 1825). Die Klägerin hat weder dargetan, dass ihr Prozessbevollmächtigter darüber hinaus im Berufungsverfahren tätig geworden ist, noch ist insoweit eine Glaubhaftmachung erfolgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1487710 |
RVGreport 2006, 30 |
OLGR-Ost 2006, 413 |