Leitsatz (amtlich)
Ist streitig, ob der allgemeine Zivilsenat oder aber der Kartellsenat eines OLG zur Entscheidung berufen ist, wird die Frage der gesetzlichen Zuständigkeit gem. § 91 GWB aufgeworfen, über die nicht - letztlich - das Gerichtspräsidium zu befinden hat, sondern die analog §§ 36 Abs. 1 Nr. 6, 37 ZPO zu behandeln ist.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 104 O 95/08) |
Tenor
Der 23. Zivilsenat des KG erklärt sich für unzuständig und gibt den Rechtsstreit an den Kartellsenat des KG ab.
Gründe
Die Klägerin betreibt Bahnhöfe u.a. in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. Sie nimmt die Beklagte auf Zahlung von restlichen Entgelten für deren Nutzung in Anspruch. Die Beklagte wendet ein, sie habe die Entgelte in der ursprünglich vereinbarten Höhe gezahlt. Soweit die Klägerin aufgrund ihres Stationspreissystems höhere Entgelte verlange, verstoße dies u.a. gegen §§ 19, 20 GWB und auch gegen Art. 82 EGV. Die Beklagte beantragt die Abgabe des Rechtsstreits an den Kartellsenat.
Über den Antrag war durch Beschluss zu befinden. Ist streitig, ob der allgemeine Zivilsenat oder aber der Kartellsenat eines OLG zur Entscheidung berufen ist, wird die Frage der gesetzlichen Zuständigkeit gem. § 91 GWB aufgeworfen, über die nicht - letztlich - das Gerichtspräsidium zu befinden hat, sondern die analog §§ 36 Abs. 1 Nr. 6, 37 ZPO zu behandeln ist (Dicks in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl., § 91 GWB, Rz. 19; Zöller/Lückemann, ZPO, 28. Aufl., § 21e GVG, Rz. 38).
Der angerufene Senat ist als allgemeiner Zivilsenat nicht zuständig. Vielmehr ist die - gem. § 95 GWB - ausschließliche Zuständigkeit des Kartellsenats gem. §§ 91 Satz 2, 87 Satz 2 GWB gegeben. Dabei ist unbeachtlich, ob in erster Instanz der für Kartellsachen zuständige Spruchkörper entschieden hat (OLG Karlsruhe GRUR 1980, 323).
Die Beklagte hat mit ihren Einwendungen kartellrechtliche Vorfragen i.S.v. § 87 Satz 2 GWB aufgeworfen, die die Zuständigkeit der Kartellgerichte begründen. Darauf, ob die Einwendungen rechtlich zutreffend sind, kommt es nicht an, da anderenfalls ein Nicht-Kartellgericht den Sachvortrag auf seine kartellrechtliche Erheblichkeit zu prüfen hätte (Dicks in Loewenheim/Messen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl., § 87 GWB, Rz. 19).
Die Beantwortung der kartellrechtlichen Vorfrage muss jedoch entscheidungserheblich sein. Kann auch ohne Klärung der Vorfrage für die Spruchreife in der Hauptsache gesorgt werden, ist die Zuständigkeit nach § 87 Satz 2 GWB nicht gegeben (Dicks in Loewenheim u.a., a.a.O.).
Hier kann dahingestellt bleiben, ob, wie die Klägerin dem LG folgend erwidert, die Bestimmungen der §§ 19, 20 GWB durch die §§ 14b ff. AEG verdrängt werden (vgl. auch BeckAEG-Komm/Gerstner, § 14b, Rz. 24) und ob der Einwand der Beklagten angesichts einer möglicherweise abschließenden Regelung im AEG überhaupt vor den Zivilgerichten verfolgt werden kann (ablehnend LG Berlin WuW/E DE-R 2561 unter Berufung auf BGH NJW 2007, 3344; vgl. zum PostG LG Köln - 28 (Kart) 288/05 - Urt. v. 3.8.2005; zum TKG OLG Düsseldorf MMR 2002, 316). Jedenfalls bleibt der weitere Einwand der Beklagten, das Stationspreissystem verstoße gegen Art. 82 EGV, entscheidungserheblich. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist § 87 Satz 2 GWB auch dann anzuwenden, wenn Vorfragen anhand sekundärer gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften zu beurteilen sind (Dicks in Loewenheim u.a., a.a.O., § 87 GWB, Rz. 22 a.E.). Zum sekundären Gemeinschaftsrecht zählen nach Art. 249 Abs. 3 EGV auch die EG-Richtlinien (Ahlt/Deisenhofer, Europarecht, 3. Aufl., Kap. 3 A II), mithin auch die von der Klägerin als speziellere Regelung angeführte Richtlinie 2001/14/EG vom 26.2.2001.
Fundstellen
Haufe-Index 2285671 |
GRUR-RR 2010, 120 |
WuW 2010, 301 |