Leitsatz (amtlich)

Bei einer Auslieferung an Rumänien kann ein Auslieferungshindernis nur aus unzureichenden Haftbedingungen in denjenigen Haftanstalten erwachsen, in denen der Verfolgte nach seiner Auslieferung konkret untergebracht wird. Hingegen bleiben Haftanstalten, in denen er später im Rahmen von Änderungen der Vollzugsform untergebracht werden kann und deren Zustand zum Zeitpunkt einer etwaigen zukünftigen Verlegung des Verfolgten aus dem geschlossenen Vollzug ohnehin nicht dem aktuellen entsprechen muss, sodass eine Prüfung zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht aussagekräftig wäre und unterstellen müsste, dass Rumänien keine Anstrengungen zur Verbesserung des Zustands seiner Haftanstalten unternimmt, bei der Prüfung unberücksichtigt. Die Verlegung in diese Anstalten unterliegt im Falle von Einwendungen des Verfolgten der Prüfung durch rumänische Gerichte.

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 01.12.2020; Aktenzeichen 2 BvR 1845/18, 2 BvR 2100/18)

BVerfG (Einstweilige Anordnung vom 05.08.2020; Aktenzeichen 2 BvR 1845/18)

BVerfG (Einstweilige Anordnung vom 04.08.2020; Aktenzeichen 2 BvR 1845/18)

BVerfG (Einstweilige Anordnung vom 05.03.2020; Aktenzeichen 2 BvR 1845/18)

BVerfG (Einstweilige Anordnung vom 26.09.2019; Aktenzeichen 2 BvR 1845/18)

BVerfG (Einstweilige Anordnung vom 03.04.2019; Aktenzeichen 2 BvR 1845/18)

BVerfG (Einstweilige Anordnung vom 01.10.2018; Aktenzeichen 2 BvR 1845/18)

 

Tenor

1. Die Anhörungsrüge des Verfolgten gegen den Beschluss des Senats vom 10. August 2018 wird zurückgewiesen.

2. Es verbleibt bei dem Beschluss vom 10. August 2018.

3. Die Auslieferungshaft des Verfolgten dauert fort.

 

Gründe

Der Senat hat mit Beschluss vom 10. August 2018, auf den wegen der Einzelheiten des Verfahrensgangs und des Verfahrensgegenstands verwiesen wird, die Auslieferung des Verfolgten an Rumänien zum Zweck der Strafvollstreckung für zulässig erklärt. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat die Auslieferung bewilligt; die Übergabe an die rumänischen Behörden soll am 30. August 2018 erfolgen. Gegen den Senatsbeschluss vom 10. August 2018 wendet sich der Verfolgte mit Schriftsatz seines Beistands vom 20. August 2018 und erhebt eine Anhörungsrüge und eine Gegenvorstellung.

1. Die nach §§ 77 Abs. 1 IRG, 33a StPO statthafte Anhörungsrüge bleibt ohne Erfolg.

a) Der Senat hat das Recht des Verfolgten auf rechtliches Gehör nicht verletzt, insbesondere entgegen dem Rügevorbringen keine Überraschungsentscheidung getroffen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG und das Gebot eines fairen Verfahrens liegt nur vor, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfG NVwZ-RR 2011, 460 mwN). Dies war vorliegend nicht der Fall. Der Senat hatte bereits in seinem Beschluss vom 15. Juni 2018 darauf hingewiesen, dass er vor einer Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung (zumindest) den Ausgang der Rechtssache C-220/18 PPU vor dem EuGH abwarten und sodann prüfen wird, ob dem in dieser Rechtssache ergehenden Urteil das hiesige Verfahren fördernde Erkenntnisse zu entnehmen sind. Das Urteil in der Rechtssache C-220/18 PPU ist am 25. Juli 2018 ergangen. Es war auch dem Beistand bekannt, der sich in seinem Schriftsatz vom 5. August 2018 ausführlich mit dem Urteil auseinandergesetzt, aus ihm allerdings andere rechtliche Schlüsse als der Senat gezogen hat. Dass der Verfolgte bzw. sein Beistand die für das hiesige Verfahren bedeutsame, den Prüfungsumfang der Behörden des ersuchten Mitgliedstaats beschreibende Passage des Urteils augenscheinlich nicht zur Kenntnis genommen oder in ihrer Bedeutung nicht erkannt hat, begründet keine Hinweispflicht des Senats.

b) Jedoch kann letztlich dahinstehen, ob eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegt. Denn das jetzige Vorbringen gibt zu einer abweichenden Entscheidung keine Veranlassung.

Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass seiner Prüfung allein die Haftbedingungen in den Vollzugsanstalten Bukarest-Rahova und Tulcea unterliegen, während die spätere Unterbringung in Anstalten des halboffenen oder offenen Vollzugs - deren Zustand zum Zeitpunkt einer etwaigen zukünftigen Verlegung des Verfolgten aus dem geschlossenen Vollzug ohnehin nicht dem aktuellen entsprechen muss, sodass eine Prüfung zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht aussagekräftig wäre und unterstellen müsste, dass Rumänien keine Anstrengungen zur Verbesserung des Zustands seiner Haftanstalten unternimmt - im Falle von Einwendungen des Verfolgten der Prüfung durch rumänische Gerichte unterliegt.

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 25. Juli 2018 in der Rechtssache C-220/18 (dort Rn. 87) ausgeführt:

"In Anbetracht des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten, auf dem das System des Europäischen Haftbefehls beruht, und unter Berücksichtigung insbesondere der den vollstreckenden Justizbehörden durch Art. 17 des Rahmenbeschlusses für den Erlass...

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