Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zulässigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Unterbringungsanordnung
Leitsatz (amtlich)
Ist eine vom Betroffenen angefochtene Unterbringungsmaßnahme vom Beschwerdegericht wegen Wegfalls der Voraussetzungen aufgehoben worden, so fehlt es an dem für eine weitere Beschwerde mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringung erforderlichen Rechtsschutzinteresse, wenn der Betroffene vor der Aufhebung der Unterbringung ggü. dem Klinikleiter verantwortlich erklärt hatte, er wolle nicht entlassen, sondern lediglich weiter beurlaubt werden, um den schützenden Rahmen der Klinik nicht zu verlieren.
Normenkette
FGG § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 2, § 70m Abs. 1; PsychKG § 8
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 83 T XIV 52/00 L) |
AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 50 XIV 15/00 L) |
AG Berlin-Wedding (Aktenzeichen 50 XIV 46/00 L) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
Gründe
Gegen den die Unterbringung des Betroffenen nach § 8 Abs. 1 PsychKG aufhebenden Beschluss der Zivilkammer 83 des LG Berlin ist zwar grundsätzlich die sofortige weitere Beschwerde das statthafte Rechtsmittel (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 2, 22 FGG i.V.m. §§ 70 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, 70g Abs. 3 S. 1 und 70m Abs. 1 FGG). Das vom Betroffenen zur Feststellung der anfänglichen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Unterbringungsmaßnahme eingelegte Rechtsmittel ist hier jedoch mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Es ist deswegen zu verwerfen.
Durch die Aufhebung der Unterbringungsmaßnahme in dem angefochtenen Beschluss hat das LG dem mit der Erstbeschwerde verfolgten Rechtsschutzziel des Betroffenen entsprochen. Dementsprechend ist die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen nicht mehr auf die Aufhebung, sondern auf die Feststellung der anfänglichen Rechtswidrigkeit der Unterbringungsanordnung gerichtet.
Nach den Vorschriften der maßgeblichen Verfahrensordnung, des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ist das mit diesem Rechtsschutziel eingelegte Rechtsmittel unzulässig, denn es fehlt nach Aufhebung der Unterbringung an einer gegenwärtigen Beschwer des Betroffenen, die in den §§ 20, 29 Abs. 4 FGG verlangt wird.
Allerdings kann nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG zur nachträglichen Überprüfung prozessual überholter Maßnahmen auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. BVerfG v. 30.4.1997 – 2 BvR 817/90, 728/92, 802/95, 1065/95 NJW 1997, 2163 [2164]; v. 14.6.1998 – 2 BvR 2227/96, NJW 1998, 2813 [2814]; v. 10.5.1998 – 2 BvR 978/97, NJW 1998, 2432 [2433]; NJWE-FER 1998,163), der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. FGPrax 2000, 213), gleichwohl ein Rechtsschutzinteresse an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit einer angefochtenen Maßnahme unter der Voraussetzung zu bejahen sein, dass es sich um einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff handelte und die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in den nach der Verfahrensordnung gegebenen Instanzen kaum erlangen kann. Kurzfristige Unterbringungsmaßnahmen – hier von knapp sechs Wochen – gehören dabei zu den Hoheitsakten, die tiefgreifend in das Grundrecht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 2 GG eingreifen können und bei denen im Fall fehlender Berechtigung der Unterbringungsmaßnahme der Grundrechtseingriff auch nach Ablauf des Unterbringungszeitraums in einer Weise fortwirkt, dass im Einzelfall ein effektiver Grundrechtsschutz über Art. 19 Abs. 4 GG die Bejahung eines rechtlichen Interesses an der Feststellung der Rechtswidrigkeit gebieten kann (vgl. KG, FGPrax 2000, 213; BVerfG v. 14.6.1998 – 2 BvR 2227/96, NJW 1998, 2813 [2814]; v. 10.5.1998 – 2 BvR 978/97, NJW 1998, 2432 [2433]; BayObLG FGPrax 1999, 120; OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 303; OLG Schleswig v. 26.8.1998 – 2 W 153/98, OLGR Schleswig 1998, 399 = NJW 1999, 222; FGPrax 1999, 198; Jensen/Röhlig BtPrax 1998, 17 f.). Die gegenteilige Auffassung des OLG Karlsruhe (BtPrax 1998, 34 und FGPrax 1999, 245) ist durch die zeitlich nachfolgende Rechtsprechung des BVerfG (v. 10.5.1998 – 2 BvR 978/97, NJW 1998, 2432) ersichtlich überholt (vgl. KG, unveröffentlichter Beschl. v. 6.3.2001 – 1 W 71/01; ebenso: BayObLG FGPrax 1999, 120; OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 303 [304]).
Die Voraussetzungen für die Annahme eines aus der Schwere der angefochtenen Maßnahme folgenden rechtlichen Interesses an der nachträglichen Überprüfung der Unterbringung sind hier jedoch nicht gegeben, denn hier fehlt es an einem nachhaltigen und tiefgreifenden Grundrechtseingriff i.S.d. dargestellten Grundsätze: Es kann dahinstehen, ob dies schon deswegen gilt, weil der Betroffene bereits im ersten vom Vormundschaftsrichter durchgeführten Anhörungstermin am 25.5.2000 erklärt hat, er sei bereit, freiwillig in der W. Klinik zu bleiben und sich einer Behandlung zu unterziehen. Aus dem den Beteiligten mit...