Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrsanwalt einer ausländische Partei in Rechtsstreit vor einem deutschen Gericht
Leitsatz (amtlich)
1. Schweizer Rechtsanwälte können nach ihrer Ausbildung und ihrem Tätigkeitsbereich nicht einem in Deutschland zugelassenen Patentanwalt gleichgestellt werden. Das gilt auch, wenn sie als Markenvertreter bei der WIPO eingetragen sind, da diese Eintragung, anders als die Eintragung als Vertreter beim EPA, keine besondere Eignungsprüfung voraussetzt.
2. Für eine ausländische Partei (ohne inländische Vertriebsorganisation) ist es in einem Rechtsstreit vor einem deutschen Gericht regelmäßig als notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO anzuerkennen, dass sie sich eines Verkehrsanwalts bedient (wie OLG Stuttgart NJW-RR 2004, 1581; Abweichung von OLG München MDR 1998, 1054).
Normenkette
RVG-VV Nrn. 3100, 3400
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 11.09.2006; Aktenzeichen 16 O 188/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner, die im Übrigen zurückgewiesen wird, wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Berlin vom 11.9.2006 - 16 O 188/06 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die nach dem Beschluss des LG Berlin vom 7.3.2006 von den Antragsgegnern jeweils zu 1/3 an die Antragstellerin zu erstattenden Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens werden auf 5.790,08 EUR festgesetzt.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu ¼ und die Antragsgegner zu ¾.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 2.500 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Antragstellerin, ein Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, ist Inhaberin einer geschützten Marke für Stühle. Dabei handelt es sich um eine sog. IR-Marke nach dem Madrider Markenschutzabkommen (MMA), nicht um eine europäische Gemeinschaftsmarke. Die Antragstellerin, die über keine eigene Rechtsabteilung verfügt, hat über die in der Schweiz ansässigen Rechtsanwälte M. & L. ihre Berliner Verfahrensbevollmächtigten damit beauftragt, eine einstweilige Verfügung gegen die Antragsgegner zu erwirken, mit der diesen der Vertrieb bestimmter Stühle untersagt werden sollte, die den durch die Marke der Antragstellerin geschützten Stühlen gleichen. Das LG Berlin hat die beantragte einstweilige Verfügung erlassen.
Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss, der der Antragsgegnerin am 15.9.2006 zugestellt wurde, hat die Rechtspflegerin am LG neben den - unstreitigen - Kosten der Berliner Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin eine 1,3-Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG-VV 3100 zum Wert von 200.000 EUR sowie die Pauschale gemäß VV 7200, zusammen 2.380,80 EUR für die Schweizer Rechtsanwälte M. & L. festgesetzt. Hiergegen richtet sich die am 28.9.2006 eingelegt sofortige Beschwerde der Antragsgegner. Die Antragsgegner machen geltend, die Einschaltung der Schweizer Rechtsanwälte M. & L. sei nicht erforderlich gewesen. Markenvertreter nach § 140 Abs. 3 MarkG könnten nur deutsche Rechtsanwälte sein; die Schweizer Anwälte verfügten über keine Kenntnis des deutschen Rechts. Eine analoge Anwendung des § 140 Abs. 3 MarkG sei ausgeschlossen. Zudem verstoße die Beauftragung der Schweizer Anwälte durch die Antragstellerin gegen die Schadensminderungspflicht. In diesem Zusammenhang weisen sie darauf hin, dass, was unstreitig ist, die Berliner Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin diese in zahlreichen gleichgelagerten Fällen vertreten, so dass diese aufgrund ihrer markenrechtlichen Kenntnisse dazu in der Lage seien, den Fall allein rechtlich zu beurteilen. Deshalb sei die Einschaltung von Patentanwälten nicht erforderlich gewesen. Die Antragstellerin meint, die Schweizer Rechtsanwälte M. & L. seien nach Ausbildung und Funktion deutschen Patentanwälten vergleichbar, so dass deren Kosten in gleicher Höhe zu erstatten seien, wie die Kosten für die Einschaltung von Patentanwälten.
Der Einzelrichter hat mit Beschluss vom 16.11.2006 die grundsätzliche Bedeutung der Sache angenommen und das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung übertragen.
II. Die gem. § 11 Abs. 1 RpflG i.V.m. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegner ist teilweise begründet.
1. Zu Recht beanstanden die Antragsgegner die Festsetzung einer 1,3-Verfahrensgebühr nach RVG-VV 3100 für die Schweizer Rechtsanwälte M. & L. Die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Kosten ausländischer Anwälte als Patentanwaltskosten erstattungsfähig sind, wird in Rechtsprechung Schrifttum nicht einheitlich beantwortet. Teilweise wird die Auffassung vertreten, Patenanwalt sei nur derjenige, der in der Liste der Patentanwälte beim DPMA geführt wird (OLG Karlsruhe, GRUR 1967, 217; von Eicken, Kostenfestsetzung, 19. Aufl. Rz. B 542 m.w.N.). Demgegenüber wurde jedenfalls für den EG-Bereich schon zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde ganz überwiegend die Auffassung vertreten, dass die Kosten von Patent- und Markenanwälten mit Sit...