Leitsatz (amtlich)

Keine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO, wenn die eingereichte Klage vor Veranlassung ihrer Zustellung wegen zwischenzeitlicher Erfüllung des Klageanspruchs wieder zurückgenommen wird und deshalb die Zustellung nicht mehr erfolgt. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt ein – wenn auch erst nach dem Wegfall des Klageanlasses – begründetes Prozessrechtsverhältnis durch Zustellung der Klage voraus.

 

Normenkette

ZPO § 269 Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 23 O 392/02)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 18.12.2003; Aktenzeichen VII ZB 55/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der Zivilkammer 23 des LG Berlin vom 18.10.2002 – 23 O 392/02 – wird auf ihre Kosten nach einem Gegenstandswert von bis zu 1.200 Euro zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Mit Klageschrift vom 20.8.2002, bei Gericht am 21.8.2002 eingegangen, hat die Klägerin von den Beklagten Herausgabe von drei Bürgschaftsurkunden begehrt. Vor Veranlassung der Klagezustellung durch das Gericht hat die Klägerin die Klage mit Schriftsatz vom 30.8.2002 zurückgenommen, nachdem die Beklagten die Urkunden am gleichen Tage zurückgegeben hatten. Zugleich hat die Klägerin beantragt, den Beklagten die Kosten gem. § 269 Abs. 3 ZPO aufzuerlegen. Nachdem das LG hierauf unter dem 18.9.2002 auf Bedenken wegen der nicht eingetretenen Rechtshängigkeit hingewiesen hat, haben die Beklagten hierzu ergänzend ihre gegenteilige Rechtsauffassung dargelegt.

Mit Beschluss vom 18.10.2002 hat das LG den Kostenantrag der Klägerin zurückgewiesen und zur Begründung unter Hinweis auf die Kommentierungen in Zöller, 23. Aufl., § 269 ZPO Rz. 8a und Baumbach/Lauterbach, 61. Aufl., § 269 ZPO Rz. 39 ausgeführt, dass § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO nicht den Fall der Rücknahme einer noch nicht zugestellten Klage regele, da es an dem dafür vorausgesetzten Prozessrechtsverhältnis fehle. Die Klägerin müsse ggf. ihren materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch mit einer neuen Klage geltend machen. Insoweit komme auch keine analoge Anwendung in Betracht.

Gegen den am 4.11.2002 expedierten Beschluss haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 7.11.2002, bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, sofortige Beschwerde eingelegt. Sie vertreten unter Hinweis auf die Kommentierung in MünchKomm, ZPO-Reform, 2. Aufl. 2002, § 269 Rz. 4 und auf den Aufsatz von Hartmann, NJW 2001, 2577 [2585] die Auffassung, ein schon begründetes Prozessrechtsverhältnis sei nicht erforderlich, da dieses Verständnis des LG nicht dem Sinn und Zweck entspreche, den der Gesetzgeber mit der Vorschrift habe erreichen wollen. Danach solle der Kläger wegen des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs nicht auf den weiteren Klageweg verwiesen werden. Es handele sich um einen Sondertatbestand, so dass es auf die Zustellung der Klage nicht ankomme. Es müsse vielmehr genügen, wenn dem Beklagten die Klage im Zusammenhang mit der Gewährung des rechtlichen Gehörs zum Kostenantrag zugestellt werde.

Die sofortige Beschwerde, der das LG mit Beschluss vom 8.11.2002 nicht abgeholfen hat, ist gem. § 269 Abs. 5 ZPO zulässig; sie ist insb. auch rechtzeitig eingelegt. Zwar kann mangels vorliegendem Empfangsbekenntnis nicht konkret der Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Beschlusses festgestellt werden, jedoch ergibt sich aus dem den Akten zu entnehmenden Absendedatum und dem Eingang der Beschwerde zwanglos die Einhaltung der Notfrist des § 569 ZPO.

Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet, denn der Senat folgt den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung.

Die Anwendung des § 269 Abs. 3 ZPO erfordert, dass die Klage, wenn auch nachträglich, zu irgendeinem Zeitpunkt zugestellt worden ist und mit der dadurch eingetretenen Rechtshängigkeit ein Prozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien begründet worden ist. Die im Zuge der ZPO-Reform mit § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO neu eingeführte Möglichkeit, über die Kosten des Rechtsstreits bei Wegfall des Klagegrundes vor Rechtshängigkeit und unverzüglicher Klagerücknahme unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen entscheiden zu können, ist in der Rechtsfolge wegen der Sachnähe zur Interessenlage nach beiderseitiger Erledigungserklärung der Hauptsache dem § 91a ZPO angeglichen. Auch die Anwendung der §§ 91, 91a ZPO setzen aber ein bereits begründetes Prozessrechtsverhältnis voraus. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO soll den Kläger vor den nachteiligen Folgen schützen, die ihn dann ereilen würden, wenn das erledigende Ereignis noch vor Rechtshängigkeit eingetreten ist, der Beklagte aber einer einseitigen Erledigungserklärung des Klägers nicht zustimmt. In diesen Fällen, in denen zuvor regelmäßig den Kläger die Kostenlast nach § 91 ZPO traf, entspricht es daher durchaus den Grundsätzen der Prozessökonomie, zur Vermeidung eines weiteren Rechtsstreits im Rahmen des ohnehin bestehenden Prozessrechtsverhältnisses zwischen den Parteien über die Kosten nach dem bisherigen Sach- und Streitsta...

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