Leitsatz (amtlich)

1. Klagt der Mieter auf Feststellung, dass die Miete wegen eines Sachmangels gemindert sei, so ist für die Festsetzung des Gebührenstreitwerts § 41 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 GKG mangels einer planwidrigen Gesetzeslücke nicht entsprechend anwendbar (Aufgabe der Senatsrechtsprechung seit Beschl. v. 01.07.2009 - 8 W 59/09).

2. Wird die Feststellungsklage mit der Klage auf Beseitigung des Mangels verbunden, ist das Feststellungsinteresse jedoch nach § 3 ZPO in der Regel auf den Jahresbetrag der (ggf. vom Mieter angegebenen) Minderung zu schätzen.

§ 9 S. 1 ZPO ist in dieser Konstellation nicht anzuwenden. Die Vorschrift bezieht sich auf Rechte, die ihrer Natur nach und erfahrungsgemäß eine Dauer von 3,5 Jahren haben oder haben können. Die Minderung bis zur Mangelbeseitigung hängt hingegen von der im Zeitpunkt der Klageeinreichung (§ 40 GKG) absehbaren Dauer bis zum Erlass und zur Vollstreckung eines (vorläufig vollstreckbaren) Titels ab. Diese ist regelmäßig eher mit einem Jahr als mit dreieinhalb Jahren anzunehmen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 22.01.2016; Aktenzeichen 63 T 3/16)

AG Berlin-Schöneberg (Beschluss vom 03.12.2015; Aktenzeichen 104 C 125/15)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des LG Berlin vom 22.01.2016 -63 T 3/16- abgeändert und die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Streitwertbeschluss des AG Schöneberg vom 03.12.2015 -104 C 125/15- zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die vom LG zugelassene und von der Beklagten in zulässiger Weise eingelegte weitere Beschwerde (§§ 68 Abs. 1 S. 5, 6; 66 Abs. 4 GKG) ist begründet. Das AG hat den Gebührenstreitwert für den Antrag zu 2 auf Feststellung einer Minderung von 20 % bis zur Beseitigung der im Klageantrag zu 1 genannten Mängel der Wohnung im Ergebnis zu Recht auf 12 × 606,44 EUR × 20 % = 1.455,46 EUR und nicht auf 42 × 606,44 EUR × 20 % = 5.094,10 EUR festgesetzt.

1) Allerdings hält der Senat nach erneuter Prüfung nicht an der mit Beschluss vom 01.07.2009 -8 W 59/09 (MDR 2009, 1135) begründeten Auffassung fest, dass § 41 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 GKG auf den Fall der Klage des Mieters auf Feststellung einer mangelbedingten Mietminderung entsprechend anzuwenden sei.

§ 41 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 GKG bestimmt, dass der Gebührenstreitwert für den Anspruch des Mieters auf Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen mit dem Jahresbetrag einer angemessenen Mietminderung zu bewerten ist. Gegenstand des vorliegenden Feststellungsantrags ist jedoch nicht der aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB folgende Anspruch des Mieters auf Instandsetzung bzw. Mangelbeseitigung, sondern der Anspruch des Vermieters auf Mietzahlung. Einer analogen Anwendung steht das Fehlen einer "planwidrigen" Gesetzeslücke entgegen (so bereits OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.09.2013 -10 W 18/13, MDR 2014, 247; OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.09.2014 -2 W 61/14, NJW-RR 2015, 527; Schneider/Herget/Kurpat, Streitwertkommentar, 14. Aufl., Rn 3806; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 8 Rn 29).

Eine Analogie setzt voraus, dass das Gesetz eine Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Die Unvollständigkeit muss "planwidrig" sein. Der dem Gesetz zu Grunde liegende Regelungsplan ist aus ihm selbst im Wege der historischen und teleologischen Auslegung zu erschließen und es ist zu fragen, ob das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, planwidrig unvollständig ist (BGH, Urt. v. 14.12.2006 -IX ZR 92/05, NJW 2007, 992 Tz 15; BGH, Urt. v. 13.11.2001 -X ZR 134/00, BGHZ 149, 165 Tz 35; Beschl. v. 25.08.2015 -X ZB 5/14, MDR 2015, 1206 -zit. nach juris Tz 19).

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber versehentlich und damit "planwidrig" unterlassen hat, die Regelung des § 41 GKG auf den Streit über eine Mietminderung zu erstrecken und damit einer Bewertung nach dem einjährigen Minderungsbetrag zu unterwerfen, bestehen nicht. Auf eine planwidrige Gesetzeslücke kann nicht bereits deshalb geschlossen werden, weil die Gesetzesmaterialien (s. BT-DrS 15/1971 S. 154 f.) keine Begründung dafür enthalten, warum der Gesetzgeber von einer Einbeziehung des häufig korrespondierenden Streitgegenstands in die Regelung des § 41 Abs. 5 GKG abgesehen hat (vgl. BGH, Urt. v. 27.01.2010 -XII ZR 22/07, BGHZ 184, 117 = NJW 2010, 1065 Tz 22).

Nach § 48 Abs. 1 GKG richtet sich der Gebührenstreitwert grundsätzlich nach den für den Zuständigkeitsstreitwert geltenden §§ 3 bis 9 ZPO, sofern das GKG keine besondere Bestimmung trifft. Eine solche ist für verschiedene mietrechtliche Streitigkeiten bereits seit vielen Jahren im GKG enthalten, und nicht etwa erst mit § 41 GKG n....

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