Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrenskostenhilfe bei Anwendung ausländischen Sachrechts; Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Verfahren über Verfahrenskostenhilfe muss das Gericht bei Anwendbarkeit ausländischen Sachrechts im Rahmen seiner Ermittlungspflicht dann, wenn es von der Einholung eines Rechtsgutachtens absehen und Verfahrenskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung verweigern will, nachvollziehbar und belastbar darlegen, dass es die entscheidungserheblichen Normen des fremden Rechts aufgrund eigener Sachkunde zuverlässig ermitteln konnte (Anschluss OLG Saarbrücken, Beschluss vom 14. Februar 2020 - 6 WF 22/20).

2. Bei einem Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs muss es sich um einen eigenen Anspruch handeln. Daher kann ein Miteigentümer keinen Berichtigungsanspruch geltend machen, wenn die Grundbuchunrichtigkeit nur den Anteil eines anderen Miteigentümers betrifft.

3. Ob ein Miteigentümer die Unrichtigkeit des Grundbuchs in Bezug auf die Miteigentumsanteile seines Ehegatten wegen Unwirksamkeit der Verpflichtung zur Übertragung der Anteile in Verfahrensstandschaft grundsätzlich geltend machen kann, muss im Verfahrenskostenhilfeverfahren nicht abschließend geklärt werden (Anschluss BGH, Urteil vom 2. Februar 2000 - XII ZR 25/98).

4. Die Bestimmung des § 1365 Abs. 1 BGB, die güterrechtlich zu qualifizieren ist, ist kollisionsrechtlich dann nicht anzuwenden, wenn beide Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung 1981 die türkische Staatsangehörigkeit hatten und sie ab dem 29. Januar 2019 keine anderweitige Rechtswahl als die getroffen haben, dass die allgemeinen Wirkungen ihrer Ehe dem türkischen Recht unterliegen sollen.

5. Bei einem Gesamtverweis auf das türkische Recht verweist das türkische Ehegüterkollisionsrecht nicht für unbewegliches Vermögen auf das Recht des Belegenheitsorts zurück oder weiter.

6. Güterstandsunabhängig geltende Verfügungsbeschränkungen für Ehegatten nach ausländischem Recht (Art. 194 Abs. 1 türk. ZGB) sind als allgemeine Ehewirkungen zu qualifizieren (Anschluss OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Juni 2015 - 18 WF 126/15).

7. Bei der im Verfahrenskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist Art. 223 Abs. 2 türk. ZGB güterrechtlich zu qualifizieren und erfasst auch den Fall, dass ein Ehegatte über eine Sache verfügt, die nicht allein im Miteigentum der Ehegatten steht, sondern an der auch Dritte Miteigentümer sind.

 

Normenkette

BGB §§ 894, 1365 Abs. 1, § 1368; EGBGB Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 vom 21.09.1994, Art. 15 Abs. 1 vom 21.09.1994, Art. 43 Abs. 1; FamFG § 113 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 Nr. 5; IntPRG TUR Art. 15 Abs. 1; IntPRG TUR Art. 15 Abs. 2; ZGB TÜR Art. 194 Abs. 1; ZGB TÜR Art. 223 Abs. 2; ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 293

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 07.02.2022; Aktenzeichen 140 F 6174/20)

 

Tenor

Der Antragstellerin wird auf ihre sofortige Beschwerde unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Kreuzberg (Familiengericht) vom 7. Februar 2022 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ..., bewilligt.

 

Gründe

I. Die mit dem Sohn des Antragsgegners verheiratete Antragstellerin begehrt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen beabsichtigten Antrag auf Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs in Bezug auf zwei Grundstücke (...).

Im Zeitpunkt der Eheschließung der Antragstellerin und des Sohnes des Antragsgegners im Jahr 1981 hatten beide Eheschließenden ausschließlich die türkische Staatsangehörigkeit. Die Eheleute haben inzwischen (auch) die deutsche Staatsangehörigkeit. Einen Ehevertrag haben sie nicht geschlossen.

Im Jahr 2005 erwarben die Antragstellerin und ihr Ehemann als Miteigentümer zu je ½ den 81/1.000 Miteigentumsanteil (...) an dem Grundstück ... (... des Grundbuchs von ...).

Im Jahr 2008 erwarben die Antragstellerin, ihr Ehemann und der Antragsgegner das Eigentum an dem Grundstück ... (...), und zwar die Antragstellerin und der Antragsgegner zu je ¼, der Ehemann der Antragstellerin zu ½.

Durch notariell beurkundete Verträge vom 24. Februar 2015 verpflichtete sich der Ehemann der Antragstellerin, seinem Vater unter gleichzeitiger Erklärung der Auflassung

  • seinen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück Sattlerstraße 16 (...) und
  • seinen hälftigen Miteigentumsanteil an dem 81/1.000 Miteigentumsanteil (...) an dem Grundstück ... und ... (...) zu übertragen.

Am 24. Februar 2015 wohnten die Antragstellerin und ihr Ehemann in dem Haus ... in bautechnisch abgetrennten Wohnungen getrennt.

Mit Antragsschrift vom 19. November 2019 macht die Antragstellerin geltend, die übertragenen Miteigentumsanteile ihres Ehemannes stellten dessen gesamtes Vermögen im Sinne des § 1365 BGB dar. Sie habe der Übertragung nicht zugestimmt.

Mit Beschluss vom 28. August 2020 hat der Senat den Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts Kreuzberg (Familiengericht) vom 12. Juni 2020 aufgehoben und festgestellt, dass die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht mangels Bedür...

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