Leitsatz (amtlich)
Bei einer staatlich angeordneten Geschäftsschließung wegen der Corona-Pandemie kann die Miete gemäß § 313 BGB auf die Hälfte herabzusetzen sein, ohne dass eine Existenzbedrohung des Mieters im Einzelfall festgestellt werden muss.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 34 O 107/20) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 14. August 2020 verkündete Urteil der Zivilkammer 34 des Landgerichts Berlin - 34 O 107/20 - teilweise abgeändert:
Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 690,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.05.2020 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen haben die Klägerin 9 % und der Beklagte 91 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.
Die Klägerin darf die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.
Die Revision wird - soweit die Widerklage in Höhe von 3.190,00 EUR abgewiesen wird - zugelassen.
Gründe
I. [1] Die Berufung des Beklagten richtet sich gegen das am 14. August 2020 verkündete Urteil der Zivilkammer 34 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.
[2] Der Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor:
Der Mietvertrag zwischen der Klägerin und dem Zwangsverwalter S ... sei unwirksam. Es sei eine Pauschalmiete in Höhe von 3.000,00 EUR vereinbart worden. Nach der Rechtsprechung des BGH sei jedoch die Vereinbarung einer Bruttowarmmiete unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2006 - VIII ZR 212/05), weil sie den Bestimmungen der Heizkostenverordnung widerspreche.
Aus dem zwischen der Klägerin und dem Zwangsverwalter geschlossenen Mietvertrag ergebe sich kein Verzicht des Beklagten auf seine weitergehenden Forderungen. Der Mietzins betrage 3.000,00 EUR brutto und damit nicht einmal die Hälfte des nach dem Urteil des Landgerichts - 12 O 188/12 - ausgeurteilten Betrages, wenn man davon ausgehe, dass bereits Betriebskosten von 1.310,00 EUR enthalten seien.
Das Landgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass der Zwangsverwalter berechtigt gewesen sei, den Mietvertrag abzuschließen. Aus dem rechtswidrigen Abschluss des Mietvertrages ergebe sich dessen Unwirksamkeit, da damit das durch den ersten Rang gewährte Recht des Nießbrauchberechtigten obsolet sein würde. Die Zwangsverwaltung dürfe das Nießbrauchrecht nicht beeinträchtigen. Wenn die angeordnete Zwangsverwaltung durch eine Erinnerung beschränkt werden könne, wie das Landgericht meine, müsse dies auch im vorliegenden Verfahren geltend gemacht werden können.
Zugunsten der W ... GmbH sei zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses ein Nießbrauchrecht bezüglich der Immobilie eingetragen (vgl. Grundbuchauszug vom 07.03.2018, Anlage B 26 sowie UR-Rolle Nr. 117/12 des Notars B ..., Anlage B 26). Hieraus ergebe sich ein unbefristeter Nießbrauch. Der Zwangsverwalter hätte daher die Zustimmung der Nießbrauchberechtigten einholen müssen, was der Zwangsverwalter nicht getan habe. Nachdem der Zwangsverwalter dem Beklagten mit Schreiben vom 18.12.2017 mitgeteilt hätte, dass er das Objekt für 3.000,00 EUR monatlich vermieten wolle, habe der Beklagte auf dem Schreiben vermerkt, dass 6.000,00 EUR zu zahlen seien. Dieses Schreiben habe ... S ... an den Zwangsverwalter gefaxt und damit der Weitervermietung widersprochen. Dennoch habe der Zwangsverwalter den Mietvertrag abgeschlossen. Nur drei Tage nach Mietvertragsschluss, nämlich am 26.01.2018, sei die Zwangsverwaltung wieder aufgehoben worden.
Die Ratenzahlungsvereinbarung vom 22.03.2018 sei - entgegen der Ansicht des Landgerichts - unwirksam, da diese ohne den beabsichtigten Mietvertrag gemäß Ziffer 6 der Vereinbarung keine Wirksamkeit entfalten könne. Die in Ziffer 6 enthaltene Formulierung ("es wird ein neuer Mietvertrag geschlossen über eine Gesamtbruttowarmmiete von 4.500,00 EUR") stelle eine Bedingung dar.
Die Parteien hätten zudem gemeinsam an einem Mietvertragsentwurf gearbeitet, wie sich aus dem E- Mail - Verkehr ergebe.
Der Beklagte sei durch das Schreiben vom 18.08.2018 (Anlage B 32) von der Ratenzahlungsvereinbarung zurückgetreten. Aufgrund des groben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung sei er hierzu auch befugt gewesen. Der Beklagte habe ohne den wirtschaftlichen Nutzen des noch zu schließenden Mietvertrages mitzurechnen, lediglich 90.000,00 EUR zzgl. Kosten von 8.000,00 EUR erhalten sollen. Demgegenüber hätten dem Beklagten aus den Titeln des Landgerichts Forderungen von 142.165,40 ...