Anpassung des Mietzinses auch bei mittelbaren Corona-Auswirkungen
Das OLG Frankfurt hat in einem Grundsatzurteil die Voraussetzungen für den Wegfall der Geschäftsgrundlage für mittelbar von staatlichen Beschränkungsmaßnahmen im Rahmen der Bekämpfung der Corona-Pandemie betroffene Unternehmen und einen daraus gegebenenfalls folgenden Anspruch auf Herabsetzung des monatlichen Mietzinses definiert.
Auftragseinbruch nach Corona- Beschränkungen
Gegenstand des vom OLG entschiedenen Rechtsstreits war der Mietvertrag über vom Kläger gemietete Gewerbeflächen für ein Reinigungsunternehmen für Textilien in Frankfurt am Main. Die Geschäftssituation des Betriebs verschlechterte sich rapide, nachdem seit März 2020 infolge staatlicher Corona-Beschränkungen Gastronomiebetriebe schlossen, Veranstaltungen ausfielen und - wahrscheinlich auch als Folge der Kontaktbeschränkungen - die Zahl der Aufträge für die Reinigung von Textilien erheblich einbrach.
Klage des Vermieters auf Ausgleich des Mietrückstandes
Angesichts der Verschlechterung der Geschäftssituation überwies das Reinigungsunternehmen in der Zeit April bis Juli 2020 keine Miete. Nachdem die Mahnungen des Vermieters zur Mietzahlung keinen Erfolg brachten, klagte dieser gegen das Unternehmen auf Zahlung des Mietrückstandes.
Corona-Beschränkungen allein begründen kein Recht zur Mietminderung
Die Zahlungsklage des Vermieters hatte sowohl erstinstanzlich vor dem LG als auch in zweiter Instanz vor dem OLG Erfolg. Beide Gerichte kamen zu dem Ergebnis, dass die staatlichen Beschränkungsmaßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie für das beklagte Unternehmen nicht das Recht begründeten, die Mietzahlungen einzustellen.
Corona-Beschränkungen können die Geschäftsgrundlage mittelbar stören
Das OLG stellte klar, dass die Geschäftsgrundlage des Mietvertrages durch die Folgen der coronabedingten Beschränkungen schwerwiegend gestört wurde. Es sei hinreichend wahrscheinlich, dass die behördlichen Corona-Anordnungen, insbesondere die Schließung von Gastronomie- und Hotelbetrieben, sich negativ auf den Geschäftsbetrieb des beklagten Reinigungsunternehmens ausgewirkt hätten. Die Betroffenheit werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Reinigungsbetrieb nicht unmittelbar Adressat von Schließungsmaßnahmen gewesen sei. Der Ausfall sowohl geschäftlicher als auch privater Veranstaltungen, die Tätigkeit vieler Beschäftigte im Home-Office seien offensichtlich kausal für den deutlich geringeren Bedarf an Reinigungsleistungen in dieser Zeit.
Objektive Voraussetzungen für Störung der Geschäftsgrundlage erfüllt
Das OLG konzedierte darüber hinaus, dass die Parteien bei Abschluss des Mietvertrages die Pandemie und deren Folgen nicht voraussehen konnten. Hätten sie diese vorausgesehen, so hätten sie nach Auffassung des Senats wahrscheinlich eine zeitweise Herabsetzung des monatlichen Mietzinses oder zumindest eine Stundung für die betreffenden Zeiträume vereinbart. Damit seien die objektiven Voraussetzungen für die Feststellung einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage gegeben.
Subjektive Voraussetzungen nicht hinreichend dargelegt
Nach Auffassung des OLG fehlt es allerdings an den subjektiven Voraussetzungen für eine Anpassung des Mietzinses. Eine Änderung des Mietvertrages aufgrund der objektiv gegebenen Störung der Geschäftsgrundlage hätte das beklagte Unternehmen nur dann verlangen können, wenn ihm das Festhalten an der bisherigen Miethöhe nicht zugemutet werden könne. Umstände für das Fehlen dieser Zumutbarkeit habe die Beklagte nicht hinreichend dargelegt.
Umfang der Darlegungslast zur Zumutbarkeit
Nach der Rechtsauslegung des OLG hätte die Beklagte zur Feststellung der Unzumutbarkeit darlegen müssen,
- wie sich die Kostenstruktur des Geschäftsbetriebs infolge der Corona-Pandemie verändert hat,
- welche Maßnahmen das Unternehmen zur Einsparung an Kosten (Personal) getroffen hat,
- in welcher Höhe es möglicherweise Hilfen vom Staat erhalten hat,
- ob es solche beantragt hat,
- gegebenenfalls warum ist es dies nicht getan hat, sowie
- die zu erwartende hypothetische finanzielle Entwicklung des Unternehmens im Falle des Nichteintritts der Corona-Pandemie.
Darlegungslast im konkreten Fall nicht erfüllt
Aufgrund der fehlenden Darlegungen konnte das OLG nicht feststellen, dass für das beklagte Unternehmen das Festhalten an den ursprünglichen Vertragsbedingungen unzumutbar gewesen wäre. Mit dieser Begründung hat das OLG die erstinstanzliche Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des ausstehenden Mietzinses bestätigt und die Revision der Beklagten zurückgewiesen.
(OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 18.2.2022, 2 U 138/21)
HintergrundAuch der BGH hat bereits über Ansprüche auf Anpassung des Mietzinses im Fall der Störung der Geschäftsgrundlage infolge coronabedingter Beschränkungen entschieden. Im BGH-Fall war der Betrieb allerdings unmittelbar von Schließungsmaßnahmen betroffen. Die Bedeutung der Entscheidung des OLG Frankfurt liegt in der Klarstellung, dass auch mittelbare Auswirkungen der Corona-Pandemie grundsätzlich zu einer Störung der Geschäftsgrundlage und zu einem Anspruch des Mieters auf Anpassung des Mietzinses führen können. Gesetzliche Vermutung für Störung der GeschäftsgrundlageDieser Grundsatz gilt auch für die im Dezember 2020 vom Bundestag beschlossene Neuregelung des Art. 240 § 7 EGBGB. Mit dieser Bestimmung hat der Gesetzgeber eine Vermutung dafür eingeführt, dass die Einschränkung der Verwendbarkeit von Geschäftsräumen infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie einen Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB darstellen, der die Geschäftsgrundlage des Miet- oder Pachtvertrages über Geschäftsräume in schwerwiegender Weise ändert. Auch der BGH betont die Bedeutung der ZumutbarkeitsprüfungAuch der BGH betonte in seiner Entscheidung, dass die Zumutbarkeit bzw. Unzumutbarkeit des Festhaltens an den bisherigen Vertragsbedingungen gesondert zu prüfen ist. Das bedeutet für den Mieter das grundsätzliche Erfordernis, die coronabedingten Nachteile im Einzelnen darzulegen, also die konkrete Höhe des Umsatzrückgangs, die Maßnahmen, die ergriffen wurden, um die Verluste einzudämmen (z.B. Außer-Haus-Verkauf), die finanziellen Vorteile aus staatlichen Leistungen (laut BGH nur in dem Umfang zu berücksichtigen, in dem diese nicht zurückgezahlt werden müssen) sowie die Leistungen aus einer möglichen Betriebsversicherung. Auch die wirtschaftliche Situation des Vermieters ist laut BGH als Korrektiv bei der Zumutbarkeitsprüfung zu berücksichtigen (BGH, Urteil v. 12.1.2022, XII ZR 8/21). |
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