Entscheidungsstichwort (Thema)
Besitzschutz: Anspruch des Erben auf einstweilige Einräumung des Mitbesitzes an der früheren Ehewohnung des Erblassers bei schuldrechtlichem Wohnrecht des überlebenden Ehegatten
Leitsatz (amtlich)
1. Steht dem überlebenden Ehegatten ein vom Erblasser eingeräumtes schuldrechtliches Wohnrecht zu, kann der Erbe (zumal bei umstrittener Erbenstellung) nicht im Wege des possessorischen Besitzschutzes durch einstweilige Verfügung den unbeschränkten Zugang zur früheren Ehewohnung verlangen, ohne hierfür einen Verfügungsgrund glaubhaft zu machen.
2. Ein Verfügungsgrund ist auch erforderlich, soweit der vermeintliche Erbe im einstweiligen Verfügungsverfahren die Einräumung des Allein- oder Mitbesitzes an den vor und nach dem Erbfall in der Ehewohnung befindlichen Nachlassgegenständen geltend macht, um erstmals die tatsächliche Sachherrschaft zu erlangen.
Normenkette
BGB §§ 563-564, 857-858, 861, 1969, 2229 Abs. 4; ZPO §§ 935, 938, 940
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 50 O 223/18) |
Tenor
1. Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 4. September 2018 - 50 O 223/18 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Das Urteil ist, ebenso wie das angefochtene, vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin begehrt von der Verfügungsbeklagten (ihrer Mutter) die Einräumung des Besitzes von beweglichen und unbeweglichen Gegenständen aus dem Nachlass ihres Vaters, des am ... 193 ... geborenen und am ... .2018 verstorbenen F. (im Folgenden: Erblasser), im Wege des possessorischen Besitzschutzes durch einstweilige Verfügung gemäß §§ 935, 940 ZPO.
Die Verfügungsbeklagte (*...193 ...) schloss am ... 1964 die Ehe mit dem Erblasser. Die Eheleute lebten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, die Verfügungsklägerin und der Zeuge Dr. F. F.
Der Erblasser war ein beruflich erfolgreicher, selbständiger Bauingenieur. Im Jahre 1999 wurde gegen ihn jedoch ein Strafverfahren mit Bezug auf seine unternehmerische Tätigkeit geführt und in diesem Zusammenhang gegen ihn auch Untersuchungshaft angeordnet und vollstreckt. Am 23.12.1999 räumte der Erblasser der Verfügungsbeklagten privatschriftlich ein unentgeltliches und unwiderrufliches Wohnrecht für das gemeinsam bewohnte Haus und Grundstück "..." ein, das im Alleineigentum des Erblassers stand und in dem die Verfügungsbeklagte auch heute noch lebt. 2003 gerieten die Firmen des Erblassers in Insolvenz bzw. waren von Insolvenz bedroht. Zusätzlich zu dem schuldrechtlichen Wohnrecht aus dem Jahr 1999 wurde auf Bewilligung des Erblassers zugunsten der Verfügungsbeklagten eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnrecht) im Grundbuch eingetragen, wonach die Verfügungsbeklagte befugt ist, das gesamte Gebäude (Haupthaus) als Wohnung unentgeltlich zu nutzen, einschließlich der zum Wohnen wesensmäßig zugehörigen Anlagen.
An Weihnachten 2012 kam es zu einem schweren familiären Konflikt zwischen dem Erblasser und der Verfügungsbeklagten. Der Erblasser forderte von der Verfügungsbeklagten die Übertragung von Grundstücken, welche diese während der Ehe erworben hatte, wobei die Einzelheiten dazu, inwieweit hierzu finanzielle Mittel des Erblassers verwendet wurden, unter den Parteien streitig sind. Im Januar 2013 widerrief die Verfügungsbeklagte daraufhin ihre dem Erblasser erteilte Generalvollmacht hinsichtlich der Grundstücke. Im Jahr 2014 gab es Versuche der Verfügungsbeklagten, unter Einbeziehung Dritter in den Streitigkeiten unter den Ehegatten zu vermitteln, die jedoch scheiterten. Die Verfügungsbeklagte widerrief ihre früheren letztwilligen Verfügungen und testierte neu. Der Erblasser errichtete seinerseits am 11.12.2015 ein neues privatschriftliches Testament, das er im März 2016 in amtliche Verwahrung gab und das nach seinem Tod eröffnet wurde. Darin setzte er die Verfügungsklägerin als Alleinerbin ein. Einzelheiten zu Schwere und Gegenstand der Streitigkeiten der Ehegatten und der weiteren Familienmitglieder sind unter den Parteien umstritten. Durch Anwaltsschreiben vom 23.2.2018 teilte die Verfügungsbeklagte dem Erblasser mit, dass sie wünsche von ihm getrennt zu leben. Am 16.5.2018 verstarb der Erblasser. Er bewohnte bis zuletzt mit der Verfügungsbeklagten das Wohnhaus auf dem Grundstück "...".
Die Verfügungsklägerin begehrte von der Verfügungsbeklagten am 7.6.2018 (dem Tag der Beerdigung des Erblassers) Zutritt zum Haus, um Nachlassgegenstände zu sichten bzw. mitzunehmen. Die Verfügungsbeklagte untersagte ihr anwaltlich den Zutritt und erteilte ihr - auch für die Folgezeit - ein Hausverbot, verbunden mit der Androhung, bei einem Verstoß die Polizei zu holen.
Am 6.8.2018 hat die Verfügungsklägerin darauf das hiesige einstweilige Verfügungsverfahren anhängig gemacht.
Die Verfügungsklägerin hat erstinstanzlich geltend gemacht, die Verfügungsbeklagte habe ihr als Alleinerbin des Erblassers gegenüber verbotene Eigenmacht geübt, weil sie den Zutritt zu dem Hausgrundstück "..." und dort be...