Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf Grundbuchberichtigung wird durch das Vermögensgesetz verdrängt. Der Kläger ist enteignet worden. Der Staat hat sein Grundstück in Besitz genommen und ihn von der Wahrnehmung seiner Eigentümerinteressen dauernd ausgeschlossen. Der für die Enteignung konstitutive Enteignungswille ist gegeben, wenn der Staat nach erkannter irrtümlicher Grundbuchumschreibung das Grundstück in jedem Fall behalten will. Dieser Wille kann auch dann festgestellt werden, wenn der in das damalige Verfahren eingebundene einzelne behördliche Sachbearbeiter sein konkretes Tun rechtlich nicht als Enteignung bewertet hat.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 10.02.2010; Aktenzeichen 84 O 56/09) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG vom 10.2.2010 geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zzgl. 10 % abwenden, sofern der Beklagte nicht zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Gründe
I. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung in Anspruch.
Das LG hat der auf Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs gerichteten Klage dahin, dass nicht der Beklagte, sondern der Kläger Eigentümer der im Grundbuch von M.des AG T ...Blatt 3..., Flur 820, Flurstück 11, Verkehrsfläche, "Platz der Märzrevolution" sowie Blatt 6..., Flur 820, Flurstück 12, Gebäude und Freifläche "D ..." ist, stattgegeben. Auf die tatsächlichen Feststellungen des LG einschließlich der erstinstanzlich gestellten Anträge nimmt der Senat gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug.
Das LG hat sein Urteil im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Klage sei zulässig, insbesondere der Rechtsweg eröffnet. Das Vermögensgesetz verdränge zivilrechtliche Ansprüche nur dann, wenn ein Restitutionstatbestand erfüllt sei. Eine Enteignung habe nicht stattgefunden. Maßgeblich dafür seien die faktische Entziehung der Eigentümerstellung und ein konstitutiver Enteignungswille. Die davon abweichende Bestimmung des BVerwG, wonach eine rein faktische Entziehung der Eigentümerposition ausreiche, teile die Kammer nicht. Dies ergebe sich auch aus einem systematischen Vergleich der Tatbestandsalternativen des Art. 237 § 1 Abs. 1 S. 1 EGBGB, der einerseits von Enteignung und andererseits von einer sonstigen Überführung in Volkseigentum spreche. Diese beziehe sich gerade auf faktische Vorgänge. Die Eintragung von Volkseigentum im Grundbuch als solche sei keine Enteignung, insbesondere dann nicht, wenn mit ihr lediglich die Folgen eines anderweitigen Eigentumswechsels nachvollzogen werden sollten. Die Klägerin sei anlässlich der Grundbucheintragung am 17.11.1961 mit der unzutreffenden Begründung, die Eintragung von Volkseigentum stütze sich auf die Anweisung vom 11.10.1961, nicht enteignet worden. Weder habe es am 17.11.1961 eine rechtliche Grundlage für die Eintragung von Volkseigentum im Grundbuch gegeben, noch sei diese zu diesem oder einem anderen Zeitpunkt von einem subjektiven Enteignungswillen getragen gewesen. Die im Grundbuch angegebene Begründung sei nicht tragfähig. Auch habe ein Enteignungswille im Magistrat von Berlin zu diesem Zeitpunkt nicht bestanden, da man lediglich davon ausgegangen sei, das Grundbuch den tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen. Die vom Magistrat von Berlin im Sommer 1963 stattdessen gegebene Begründung, das Eigentum des Klägers unterfalle dem Befehl der Sowjetischen Militär Administration Deutschland vom 30.10.1945, trage nicht. Denn der Kläger sei nicht verboten worden, sondern die sowjetische Zentralkommandantur habe beispielsweise am 9.12.1946 Konzerte des Klägers genehmigt; ferner sei er vom Magistrat von Berlin gefördert worden. Eine Enteignung des Klägers liege auch nicht darin, dass der zuständige Bearbeiter P.im Sommer 1963 die Eigentumsverhältnisse habe prüfen lassen und sich dahingehend geäußert habe, dass das Grundstück dem Volkseigentum zustehe. Auch vor der Änderung im Grundbuch im Jahr 1961 sei es nicht zu einer Enteignung gekommen. Weder die alleinige Nutzung des Grundstücks durch die Sowjetische Militär Administration noch den getätigten Investitionen komme ein subjektives Enteignungsmoment zu. Vielmehr habe sich die Sowjetische Militär Administration Ende 1946 um einen Erwerb des Grundstücks bemüht und sei mithin über die Eigentumsverhältnisse informiert gewesen. Auch die Übertragung der Verwaltung des Theaters auf die Regierung der DDR beziehungsweise die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft habe sich nicht auf die Eigentumsverhältnisse ausgewirkt.
Die Klage sei begründet. Das Grundbuch sei unrichtig, weil es den Beklagten als Eigentümer ausweise. Tatsächlich sei der Kläger, der bis zum 17.11.1961 eingetragen gewesen sei, weiterhin Eigentümer. Art. 237 EGBGB stehe dem Anspruch nicht entgegen. Art. 237 § 1 Abs. 1 Sat...