Leitsatz (amtlich)
1. Die notwendigen Erhebungen des Versicherers zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung gem. § 14 Abs. 1 VVG umfassen auch die Prüfung der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht; ist dem Versicherer die Einholung von Informationen über Gesundheitsdaten des Versicherungsnehmers aus vorvertraglicher Zeit mangels Erteilung einer Schweigepflichtentbindungserklärung des Versicherungsnehmers nicht möglich, ist dessen Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht fällig.
2. Aus § 213 VVG. F. und der zugrunde liegenden Rechtsprechung des BVerfG ergibt sich nicht, dass der Versicherer diese Informationen seit In-Kraft-Treten des neuen VVG nicht mehr, jedenfalls nur bei einem konkreten Verdacht einer Anzeigepflichtverletzung und/oder nur beschränkt auf solche Gesundheitsdaten einholen darf, die einen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls gehabt haben können.
Normenkette
VVG § 14 Abs. 1, § 213
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 12.06.2013; Aktenzeichen 23 O 341/12) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Berlin vom 12.6.2013 - 23 O 341/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision zum BGH wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt Versicherungsleistungen aus einer mit der Beklagten zum 1.4.2009 zustande gekommenen Berufsunfähigkeitsversicherung mit der Behauptung, er sei seit dem 6.5.2010 wegen einer depressiven Erkrankung und eines "Burn-Out Syndroms" bedingungsgemäß berufsunfähig in seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Bezirksleiter der Landesbausparkasse Hessen-Thüringen.
Das LG hat die Klage mit am 26.6.2013 zugestelltem Urteil, auf das wegen seiner tatsächlichen Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, als derzeit unbegründet abgewiesen und dies damit begründet, dass die Beklagte ihre Leistungsprüfung nicht abschließen könne, nachdem der Beklagte mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 27.7.2012 (Anlage K 22) ausdrücklich der Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten durch die Beklagte widersprochen hatte, "soweit das die Überprüfung vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzungen betrifft". Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 22.7.2013, eingegangen am 23.7.2013, hat der Kläger gegen das Urteil Berufung eingelegt und diese - nachdem auf seinen am 23 August 2013 eingegangenen Antrag die Frist bis zum 26.9.2013 verlängert worden war- mit am 20.9.2013 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Der Kläger rügt eine unzutreffende Rechtsanwendung durch das Ausgangsgericht. Er ist der Ansicht, auch nach den in den Versicherungsvertrag einbezogenen Versicherungsbedingungen nicht verpflichtet zu sein, der Beklagten die Prüfung einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung zu ermöglichen, zumal die Beklagte trotz Nachfrage weder einen konkreten Verdacht noch einen hinreichend konkreten Anhaltspunkt für eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung aufzeigen könne. Der Kläger bestreitet eine solche und behauptet, erstmals im Frühjahr 2010 Anzeichen für eine psychische Erkrankung verspürt zu haben.
Der Kläger ist weiter der Ansicht, die angegriffene Entscheidung stehe im Widerspruch zu der Rechtsprechung des BVerfG zur informationellen Selbstbe-stimmung und zur Regelung des § 213 VVG, wonach insbesondere persönliche Gesundheitsdaten besonderen Schutz genießen.
Der Kläger beantragt,
I. das Urteil des LG Berlin - 23 O 341/12 - vom 12.6.2013 wie folgt abzuändern:
1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 32.112,48 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Teilbetrag von 27.548 EUR seit dem 1.6.2012, aus einem Teilbetrag von jeweils weiteren 1141,12 EUR seit dem 1. eines jeden Monats ab dem 1.7.2012 bis einschließlich 1.10.2012 zu zahlen;
2. die Beklagte wird verurteilt an den Kläger aus der Berufsunfähigkeits-versicherung zur Vers.-Nr. 3...beginnend ab 1.11.2012 bis längstens 31.3.2024 bis zum 1. eines jeden Monats jeweils eine Berufsunfähigkeitsrente i.H.v. 1060,90 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz und zwar ab dem 2. des jeweiligen Monats zu zahlen;
3. es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, über das Jahr 2012 hinaus die monatliche Berufsunfähigkeitsrente jährlich zu erhöhen, jeweils zum 01. 04. eines jeden Jahres, längstens bis zum 31.3.2024, jeweils um 3 % der Rente des Vorjahres;
4. die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Prämienzahlungspflicht für die Berufsunfähigkeitsversicherung zur Vers.-Nr. 3...ab dem 1.11.2012 bis...