Leitsatz (amtlich)

1. Eine eingeschränkt eingelegte Berufung kann wegen eines nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingetretenen Umstandes erweitert werden.

2. Wenn das erstinstanzliche Gericht gegenseitige Ansprüche der Parteien schlicht saldiert, ist die Entscheidung über einen einzelnen Anspruch nicht isoliert der Rechtskraft fähig.

3. Die Kosten vorgerichtlicher Anwaltstätigkeit zur Durchsetzung des Widerrufsrechts sind dem Darlehensnehmer regelmäßig nicht - ohne vorherigen Verzug des Darlehensgebers - aufgrund fehlerhafter Widerrufsbelehrung zu ersetzen, weil es an der Kausalität des Schadens fehlt.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 02.03.2016; Aktenzeichen 10 O 84/15)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 24.04.2018; Aktenzeichen XI ZR 207/17)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 2.3.2016 verkündete Urteil des LG Berlin - 10 O 84/15 - teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

1. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 3.865,12 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4,42 % p. a. seit dem 6.12.2016 zu zahlen Zug um Zug gegen Freigabe der Grundschuld im Grundbuch von ...in Höhe von 87.000 EUR.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Grundschuld im Grundbuch von ..., in Höhe von 87.000 EUR freizugeben Zug-um-Zug gegen Zahlung von 3.865,12 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4,42 % p.a. seit dem 6.12.2016 an die Beklagte.

3. Im Übrigen werden Klage und Widerklage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 58 % und die Beklagte 32 % zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 87 % und die Beklagte 13 % zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung und hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. [1] Nach Widerruf eines Darlehensvertrages der Parteien durch den klagenden Darlehensnehmer hat das LG den Kläger gemäß der Hilfswiderklage zur Zahlung von 42.604,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4,42 % p.a. seit dem 1.1.2016 verurteilt, die Beklagte zur Freigabe einer Grundschuld Zug um Zug gegen die genannte Zahlung verurteilt und die Klage auf Rückzahlung von 76.043,04 EUR Zins- und Tilgungsleistungen, auf Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten und auf Feststellung, dass der Darlehensvertrag rückabzuwickeln und die Beklagte mit der Annahme der Darlehensrückzahlung und des vereinbarten Sollzinses in Annahmeverzug ist, abgewiesen.

Dabei ist das LG von einer Wirksamkeit des Widerrufs ausgegangen, hat zugunsten der Beklagten den unstreitigen Darlehensnominalbetrag von 87.000 EUR und - unter Zugrundelegung des vereinbarten Nominalzinses - 32.785,99 EUR Nutzungen bis zum Widerruf berücksichtigt sowie zugunsten des Klägers die Zins- und Tilgungsleistungen bis zum Widerruf in unstreitiger Höhe von 62.093,04 EUR und - unter Zugrundelegung einer Verzinsung mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz - 5.512,06 EUR Zinsen hierauf, hat per 18.9.2014 einen Saldo von 57.180,89 EUR zugunsten der Beklagten errechnet, die bis Ende 2015 weiter gezahlten 13.950 EUR hiervon abgezogen und einen den Widerklagebetrag übersteigenden Restsaldo ermittelt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der gestellten Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

[2] Mit der Berufungsbegründungsschrift hat der Kläger beantragt, ihn auf die Hilfswiderklage nur mehr zur Zahlung von 27.535,34 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4,42 % p.a. seit dem 1.1.2016 zu verurteilen, die Beklagte zur Freigabe der Grundschuld Zug-um-Zug gegen Zahlung nur mehr dieses Betrages und zur Zahlung der außergerichtlichen Kosten zu verurteilen sowie festzustellen, dass der Darlehensvertrag aufgrund des Widerrufs beendet und rückabzuwickeln ist und die Beklagte nicht mehr als den genannten Betrag vom Kläger verlangen kann. Er macht geltend:

Die Nutzungen des Klägers seien im angefochtenen Urteil unzutreffend berechnet, selbst wenn man seine Tilgungsbeiträge nicht berücksichtige, was aber gemäß dem Beschluss des BGH vom 22.9.2015 - XI ZR 116/15 - geboten sei. Nach dem Widerruf bestehe gemäß § 301 BGB kein Nutzungsersatzanspruch der Beklagten, weil sie sich im Annahmeverzug befunden habe. Gemäß der als Anlage K 7 vorgelegten Berechnung betrage der Saldo zum Zeitpunkt des Darlehenswiderrufs 41.759,32 EUR zugunsten der Beklagten, wovon die hiernach vom Kläger geleisteten Zahlungen von 13.950 EUR nebst 273,98 EUR Zinsen bis zum Zeitpunkt der Aufrechnung am 30.12.2016 (gemeint: 2015) zu subtrahieren seien.

Der Kläger habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass sich der Darlehensvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt habe, welches auch durch...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge