Leitsatz (amtlich)
1.a) Der dem Darlehensnehmer nach Widerruf seiner Vertragserklärung zustehende Anspruch
auf Herausgabe der Nutzungen, welche die Bank aus seinen bis zum Widerruf erbrachten
Zahlungen gezogen hat, besteht ungeachtet des Anfalls von Kapitalertragsteuer in Höhe des vollen (Brutto-)Betrags, solange die Bank die Steuer nicht nach §§ 43 ff EStG abgeführt hat.
Erklärt eine Partei die Aufrechnung der beiderseitigen Rückabwicklungsansprüche, fließt dem Darlehensnehmer der Bruttobetrag im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung zu.
Eine nach diesem Zeitpunkt erfolgte Zahlung von Kapitalertragsteuer durch die Bank an das Finanzamt kann den Rückabwicklungssaldo nicht mehr zum Nachteil des Darlehensnehmers verändern, da die Aufrechnungslage (§ 387 BGB) nach dem Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung zu beurteilen ist und durch spätere Vorgänge nicht mehr berührt wird.
b) Trägt die Bank im Prozess vor, dass sie nach der Aufrechnung Kapitalertragsteuer an das Finanzamt "abgeführt" habe, und verlangt Erstattung der Zahlung, liegt darin eine Klageänderung (i.S. von §§ 263, 533 ZPO). Die Bank kann analog § 44b Abs. 5 EStG eine Korrektur der irrtümlichen Steueranmeldung (§ 45a EStG) erreichen. Ein Erstattungsanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB oder §§ 677, 683 S. 2, 679 BGB gegen den Darlehensnehmer steht ihr hingegen nicht zu.
2. Die Höhe des Wertersatzes für die Überlassung des Darlehenskapitals ist nach Ablauf der Zinsbindungsfrist, die im widerrufenen Vertrag vereinbart war, nicht mehr nach § 346 Abs. 2 S. 2 Halbs. 1 BGB mit dem Vertragszins zu bemessen.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 37 O 253/16) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Kläger und im Übrigen klarstellend unter Berücksichtigung weiterer Zahlungen der Kläger wird der Tenor zu 2 des Anerkenntnisteil- und Schlussurteils des Landgerichts Berlin vom 03.04.2017 -37 O 253/16- wie folgt neu gefasst:
Die Kläger werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Beklagte 10.881,34 EUR nebst Zinsen in Höhe von 3 % seit dem 17.05.2017 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Beklagte zu 60 % und die Kläger als Gesamtschuldner zu 40 % zu tragen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagte zu 22 % und die Kläger als Gesamtschuldner zu 78 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten nach dem - nunmehr auch nach Ansicht der Beklagten am 14.12.2015 wirksam erfolgten - Widerruf der Darlehensvertragserklärung der Kläger in zweiter Instanz weiterhin über die Widerrufsfolgen. Nachdem die Kläger die (erstinstanzlich: Hilfs-)Widerklage in Höhe von 75.796,93 EUR (ohne Zinsen) anerkannt hatten, hat das Landgericht mit Anerkenntnisteil- und Schlussurteil vom 03.04.2017 - auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird - der (Hilfs-)Widerklage in Höhe von 88.008,89 EUR nebst 3 % Zinsen seit dem 01.02.2017 stattgegeben und die Widerklage, soweit ihr eine Verzinsung des Rückabwicklungssaldos mit 4,8 % seit Ende der Zinsbindungsfrist am 29.02.2016 zugrunde lag (somit ausgerechnete Zinsdifferenz für den Zeitraum 15.12.2015 bis 31.01.2017 von 1.346,51 EUR und Antrag auf laufende Zinsen von 4,8 % seit 01.02.2017) abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten. Die Kläger, die unstreitig am 15.05.2017 Zahlung von 65.796,03 EUR und am 16.05.2017 von 10.000,00 EUR erbracht haben, machen mit ihrer Berufung geltend, dass der Beklagten eine über 75.796,03 EUR (ohne Zinsen) hinausgehende Forderung nicht zustehe bzw. zugestanden habe.
Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung vor:
Das Landgerichtsurteil werde nicht angegriffen, soweit darin die Umwandlung des Darlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis festgestellt worden sei.
Zu Unrecht habe das Landgericht die Widerklage auf rückständige Nutzungsentschädigung im Zeitraum 14.12.2015 bis 31.01.2017 und auf laufende Nutzungsentschädigung von nicht nur 3 %, sondern 4,8 % seit 01.02.2017 abgewiesen. Das Auslaufen der Zinsbindung (zum 29.02.2016) sei bei der Bestimmung des Wertes des Gebrauchsvorteils der Kläger nicht zu berücksichtigen. Nach § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und S. 2 BGB richte sich die Wertersatzpflicht nach der vor dem Widerruf vereinbarten vertraglichen Gegenleistung. Die Berücksichtigung späterer Änderungen sehe das Gesetz nicht vor. Dies sei auch konsequent, da die Kläger mit dem Widerruf zum Ausdruck gebracht hätten, an den Vertrag nicht mehr gebunden sein zu wollen. Es sei widersprüchlich, wenn sie sich im Rahmen der Rückabwicklung auf vertragliche Abreden berufen könnten, deren Eintritt sie durch den Widerruf gerade vereitelt hätten.
Ausgehend von einem Saldo von 88.210,67 EUR zugunsten der Beklagten per Widerruf am 14.12.2015 (der auch vom Landgericht zugrunde gelegt wird, s. UA S. 14) und einer seitdem von den Klägern durchgehend geschuldeten Nutzu...