Leitsatz (amtlich)
Eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO kommt dann in Betracht, wenn das rechtliche Gehör einer Partei verletzt worden ist. Dies kann dann der Fall sein, wenn die Behauptung einer Partei nicht berücksichtigt wird, weil sie sich als "Schutzbehauptung" darstelle.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 26.03.2004; Aktenzeichen 26 O 276/03) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 26.3.2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 26 des LG Berlin - 26 O 276/03 - und das ihm zugrunde liegende Verfahren aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird an das LG Berlin, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat, zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1. Die Berufung des Klägers richtet sich gegen das am 26.3.2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 26 des LG Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe verwiesen wird.
Der Kläger hält das Urteil insb. deshalb für unzutreffend, weil das LG keine Beweisaufnahme über seine Behauptung, wonach zwischen der Versicherungsgesellschaft und ihm eine unmittelbare Weiterleitung der "Stehlliste" durch diese an die zuständige Polizeidienststelle vereinbart worden sei, unterlassen habe.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens des Klägers in der Berufungsinstanz wird auf seine Schriftsätze vom 21.6. und 14.12.2004 verwiesen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des LG aufzuheben und den Rechtsstreit an das LG Berlin zurückzuverweisen, hilfsweise, die Beklagten unter Abänderung des am 26.3.2004 verkündeten Urteils des LG Berlin als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 26.015,46 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.7.2001 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das Urteil des LG für zutreffend.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten in der Berufungsinstanz wird auf ihren Schriftsatz vom 28.7.2004 Bezug genommen.
2. Die zulässige Berufung ist begründet.
Das Urteil des LG leidet an einem wesentlichen Mangel, der die Aufhebung und Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erfordert. Das LG durfte den Vortrag des Klägers in dessen Schriftsatz vom 27.2.2004 auf S. 3 und 4 (Bd. I, Bl. 127/128 d.A.), wonach der Mitarbeiter ... der OVAG ihm kurz nach der Meldung des Schadensfalles am 19.3.2001 zugesagt habe, die Liste über die abhanden gekommenen Gegenstände selbst an die zuständige Polizeidienststelle weiterzuleiten, nicht als "Schutzbehauptung" (s. Urteil, S. 8, vorletzter Absatz) zurückweisen. Das LG hat mit dieser Begründung (für die es in der zivilrechtlichen Terminologie keine Grundlage gibt und die im Übrigen nicht einmal in § 244 Abs. 3 StPO ihren Niederschlag gefunden hatte) den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) durch eine verbotene vorweggenommene Würdigung des nicht erhobenen Beweises verletzt (BGH, Urt. v. 19.3.2002 - XI ZR 183/01, MDR 2002, 963 = BGH Report 2002, 651 = NJW-RR 2002, 1072). Auszugehen ist davon, dass die Parteien entsprechend § 138 Abs. 1 ZPO "der Wahrheit gemäß" vortragen. Zwar ist im Rahmen des § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO erkennbar unwahrer Vortrag selbstverständlich unberücksichtigt zu lassen. Hierauf kann aber nicht schon dann geschlossen werden, wenn die Parteien etwa auf Hinweise des Gerichts oder Gegners ihren Vortrag ergänzen oder ändern. Soweit Vortrag zu bestimmten Vorkommnissen nicht zeitnah erfolgt, mag dies zwar für das Gericht "nicht nachvollziehbar" sein. Das kann aber noch lange nicht dazu führen, Vortrag, für den ausdrücklich Beweis angeboten worden ist, nur aus diesem Grund nicht zu berücksichtigen, wobei hier nicht einmal klar ist, ob das LG diesen Vortrag tatsächlich für unwahr hält oder ihn nur "zurückweisen" will. Das LG hätte daher die angebotenen Zeugen vernehmen müssen. Da der weitere Verlauf des Rechtsstreits vom Ergebnis der Beweisaufnahme abhängt und für den Fall, dass die Behauptung des Klägers sich bestätigen sollte, wegen des bestrittenen Wertes der entwendeten Gegenstände eine weitere, umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich sein wird, kommt eine Vernehmung der Zeugen in der Berufungsinstanz nicht in Betracht.
Bei der weiteren Entscheidung wird auch zu berücksichtigen sein, dass die rechtzeitige Einreichung einer "Stehlliste" jedenfalls insoweit entbehrlich erscheint, als es sich um den bereits in der Anzeige vom 16.3.2001 erwähnten Geldbetrag i.H.v. etwa 3.000 DM in bar handelt, der entwendet worden war.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 10 ZPO.
Revisionszulassungsgründe nach § 543 Abs. 2 ZPO waren nicht ersichtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 1349963 |
MDR 2005, 1431 |
OLGR-Ost 2005, 603 |