Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsunfähigkeitsversicherung: Beamtenklausel nach Privatisierung des Telekommunikations- und Postbereichs
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 15.05.2001; Aktenzeichen 7 O 379/00) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 7 des LG Berlin vom 15.5.2001 i.d.F. des Berichtigungsbeschlusses des Senats vom 8.2.2002 wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der feste Zahlungsbetrag unter Ziff. 1. Abs. 2 des Urteiltenors des angefochtenen Urteils anstatt 2.197,32 DM richtig 2.197,48 DM lautet.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10 % abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
In dem Vertrag über die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung für den Kläger vereinbarten die Parteien die Geltung der BB-BUZ, die Geltung einer Beamtenklausel und den Ausschluss von Erkrankungen der Wirbelsäule.
Am 2.6.2000 wurde der Kläger als technischer Postbeamter wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Vorausgegangen waren ein Attest des Neuropsychiaters Dr. S. vom 15.11.1998 (Bl. 13) und ein Gutachten der Fachärztin Dr. F. vom 29.4.1999 (Bl. 17), in denen als Diagnose u.a. eine therapieresistente Depression bzw. ein depressives Syndrom aufgeführt war. Auch das Gutachten der Fachärztin für Arbeitsmedizin Dipl.-med. H. vom 26.4.2000 (Bl. 23) stellte eine „andauernde Persönlichkeitsveränderung nach psychischem Trauma” fest.
Auf den Leistungsantrag des Klägers holte die Beklagte ein neuropsychiatrisches Gutachten des Prof. Dr. G. vom 21.12.1999 (Anl. 1, Bl. 7 ff.) ein, nach dem bei dem Kläger eine mäßiggradige depressive Verstimmung, die zu 30 % das Leistungsvermögen einschränkt, besteht.
Mit einem Schreiben vom 9.5.2000 (Bl. 19) lehnte die Beklagte Leistungen mit der Begründung ab, die aus dem Versicherungsschutz ausgeschlossene Wirbelsäulenerkrankung sei auch für die Ruhestandsversetzung herangezogen worden; außerdem sei der Kläger nur zu 30 % statt der in den Versicherungsbedingungen vorausgesetzten 50 % berufsunfähig.
Der Kläger hat – nachdem er (die von ihm im ersten Rechtszug gegen die N.L. AG gerichtete) Klage wegen eines zunächst begehrten weiteren Betrages von 21.179,92 DM zurückgenommen hat – beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
1. ihm ab September 2000 bis längstens 1.3.2015 monatlich 1.037,83 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. ihn für denselben Zeitraum von der Beitragszahlung aus der Kapitallebens- und Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung i.H.v. monatlich 60,91 DM freizustellen,
3. ihm 2.197,48 DM nebst Zinsen wie vorstehend zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Durch das Urteil vom 15.5.2001 hat das LG die Beklagte – bis auf die begehrten Zinsen auf die künftig fällig werdende Rente – antragsgemäß verurteilt und zur Begründung ausgeführt:
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer entnehme dem Wortlaut der vereinbarten Beamtenklausel, dass die Leistungspflicht des Versicherers allein von der gesundheitsbedingten Versetzung des Beamten in den Ruhestand abhänge und dass der Versicherer auf die Prüfung des Grades gesundheitsbedingter Berufsfähigkeit und die Möglichkeit einer Verweisung auf Vergleichsberufe verzichte. Daher werde vorliegend unwiderlegbar vermutet, dass der allein aus Gesundheitsgründen in den Ruhestand versetzte Kläger berufsunfähig i.S.d. Versicherungsbedingungen sei, so dass es auf Eintritt, Grad und Fortdauer vollständiger Berufsunfähigkeit nicht ankomme. Der Ausschluss der Wirbelsäulenbeschwerden wirke sich dahin aus, dass der Kläger sich auf die Beamtenklausel nur berufen könne, wenn die Ruhestandsversetzung auch ohne die Wirbelsäulenbeschwerden erfolgt wäre. Das sei indessen der Fall, weil die Schwere und Therapieresistenz der Depression zur Feststellung der dauerhaften Dienstunfähigkeit als Voraussetzung der Ruhestandsversetzung geführt hätten, wogegen es sich bei den Wirbelsäulenbeschwerden nur um eine nicht maßgebende Nebendiagnose gehandelt habe.
Mit der rechtzeitigen Berufung trägt die Beklagte vor:
Das Versicherungsverhältnis bestehe mit der N.B.L. AG und nicht mit ihr, so dass die Klage schon deshalb abzuweisen sei. Außerdem knüpfe die in § 2 der Versicherungsbedingungen enthaltene weite Beamtenklausel – für jeden Leser erkennbar – die Leistungspflicht daran, dass kumulativ dauernde Dienstunfähigkeit des Beamten infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte vorliegen müsse. An dieser Dienstunfähigkeit bestünden hier Zweifel, weil der Arbeitgeber des Klägers, die privatisierte T. AG (gemeint: D.P. AG), die Möglichkeit der Dienstunfähigkeit aus psychischen Gründen erfahrungsgemäß missbrauche, um aus Einsparungsgründen unflexible Mitarbeiter loszuwerden; daher dürfe selbst bei einer engen Beamtenklausel keine unwider...