Leitsatz (amtlich)
1. Zur Vereinbarkeit des in § 87 Abs. 4 UrhG vorgesehenen Ausschlusses der Sendeunternehmen von den Einnahmen aus der Geräte- und Speichermedienabgabe nach § 54 Abs. 1 UrhG mit Art. 5 Abs.2 lit. b der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft.
2. Im Rahmen eines gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs muss das Kriterium der hinreichenden Bestimmtheit nicht zwingend bereits bei der Frage geprüft werden, ob die verletzte Norm individualbegünstigenden Charakter aufweist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht die vollständige Nichtumsetzung einer Richtlinie in Rede steht, sondern der Anspruch auf eine fehlerhafte Umsetzung derselben gestützt wird.
3. Ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht der angeblich fehlerhaften Umsetzung einer Richtlinie kommt nicht in Betracht, wenn sich ein Mindestgehalt der mutmaßlich verletzten Norm nicht bestimmen lässt.
Normenkette
UrhG § 54 Abs. 1, § 87 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 28.11.2007; Aktenzeichen 23 O 37/07) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 28. November 2007 - 23 O 37/07 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadenersatz wegen der nach ihrer Auffassung fehlerhaften bzw. unvollständigen Umsetzung der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (Abl. L 167 vom 22.6.2001, S. 10) in Anspruch. Der Klägerin wurde mit Bescheid vom 9. Juni 1997 vom Deutschen Patent- und Markenamt die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb einer Verwertungsgesellschaft nach dem UrhG erteilt. Seitdem nimmt sie treuhänderisch Rechte und Ansprüche von Medienunternehmen wahr, die sich aus dem UrhG ergeben und verteilt die erzielten Einnahmen an die Berechtigten. Derzeit repräsentiert die Klägerin 59 private Hörfunk- und 33 private Fernsehunternehmen.
Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Regelung in § 87 Abs. 4 UrhG, wonach Sendeunternehmer - anders als die Inhaber anderer Schutzrechte - nicht an der Geräte- und Speichermedienabgabe nach § 54 Abs. 1 UrhG beteiligt werden, um für die durch das private Vervielfältigungsrecht nach § 53 UrhG entstehenden Einbußen zu entschädigen. Die genannte Richtlinie sieht in Art. 2 lit. e) RL 2001/29/EG vor, dass das Vervielfältigungsrecht grundsätzlich den Sendeunternehmen vorbehalten bleiben muss. Art. 5 Abs.2 lit. b RL 2001/29/EG lässt eine Beschränkung des Vervielfältigungsrechts zu "b) in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke unter der Bedingung, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten, wobei berücksichtigt wird, ob technische Maßnahmen gemäß Artikel 6 auf das betreffende Werk oder den betreffenden Schutzgegenstand angewendet wurden;"
Gemäß Art. 13 Abs. 1 S. 1 RL 2001/29/EG war die Richtlinie bis zum 22. Dezember 2002 von den Mitgliedstaaten umzusetzen. Mit der vorliegenden Leistungsklage macht die Klägerin Schadensersatzansprüche geltend, welche den Sendeunternehmen durch die nach ihrer Auffassung unzureichenden Umsetzung der Richtlinie in den Jahren 2003 bis 2005 entstanden sein sollen. In der mündlichen Berufungsverhandlung hat sie die Klage um einen Feststellungsantrag erweitert, der sich auf den ab 2006 nach ihrer Auffassung entstandenen und in der Zukunft weiter entstehenden Schaden bezieht.
Das Landgericht Berlin hat die Klage in erster Instanz abgewiesen. Der Klägerin ist das Urteil des Landgerichts vom 28. November 2007 am 13. Dezember 2007 zugestellt worden. Mit ihrer am 4. Januar 2008 eingelegten und nach Fristverlängerung bis zum 13. März 2008 am gleichen Tage begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils Bezug genommen.
Die Klägerin behauptet, infolge des Rechts zur privaten Vervielfältigung entgingen den privaten Rundfunk- und Fernsehveranstaltern Werbeeinnahmen von jährlich mindestens 360 Millionen EUR. Hätte die Beklagte die im Hinblick auf diese Verluste nach Art. 5 Abs.2 lit. b RL 2001/29/EG gebotene Beteiligung der Sendeunternehmer an der Ger...