Leitsatz (amtlich)
1. Der Vorrang der Individualabrede gemäß § 305b BGB greift auch gegenüber einer in einem Formularmietvertrag über ein langfristiges Gewerberaummietverhältnis enthaltenen qualifizierten Schriftformklausel, wonach auch die Änderung der Schriftformklausel der Schriftform bedarf.
2. Bei Vereinbarung einer solchen Klausel in einer Allgemeinen Geschäftsbedingung durch den Vermieter kann sich jedenfalls der Erwerber auf § 305b BGB berufen. Es ist mit § 550 BGB nicht vereinbar, wenn der Erwerber an eine mündliche Vertragsänderung und zugleich auch an die Befristung des Mietvertrages gebunden wäre.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 03.09.2015; Aktenzeichen 32 O 127/15) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 03.9.2015 verkündete Urteil der Zivilkammer 32 des LG Berlin - 32 O 127/15 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil des LG und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung des Räumungs- und Herausgabeanspruches durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 60.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Beklagte darf die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Berufung des Beklagten richtet sich gegen das am 03.9.2015 verkündete Urteil der Zivilkammer 32 des LG Berlin, mit dem der Beklagte verurteilt wurde, die Gewerberäume in der ...Straße ...in B.zu räumen und an die Klägerin herauszugeben. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
Der Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor:
1. Ein wichtiger Grund zur Kündigung habe nicht vorgelegen. Der Getränkehandel sei von der Erlaubnis der vorherigen Vermieterin gemäß Schreiben vom 25.7.2006 umfasst, da es sich um handelsübliche Waren handele. Die Bezeichnung in dem Schreiben vom 18.7.2007 als "Getränkeausschank" sei lediglich missverständlich und stünde der unter Beweisantritt erfolgten Behauptung des Beklagten zur Erlaubnis eines Getränkehandels nicht entgegen.
2. Der Kündigung stünde auch § 314 Abs. 3 BGB entgegen. Die den Kündigungsgrund des Getränkehandels erstmals enthaltende Kündigung vom 08.5.2015 sei erst vier Monate nach der Abmahnung vom 07.1.2015 erfolgt, obwohl der Getränkehandel gar nicht Gegenstand der Abmahnung gewesen sei. Die Klägerin sei aber bereits bei Vertragsübernahme von der damaligen Vermieterin über den Getränkehandel informiert worden und habe hiervon auch bei Abschluss des Änderungsvertrages vom 04.11.2014 gewusst.
3. Eine Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung aufgrund des von dem Beklagten betriebenen Getränkehandels ergebe sich weder aus dem Vortrag der Klägerin, noch aus dem Urteil des LG. Das LG habe keine Feststellungen zur Erheblichkeit der angenommenen Vertragsverletzung getroffen.
4. Ein Kündigungsgrund läge auch nicht in der Nutzung der Kellerräume. Dass die Kellerräume mitvermietet seien, ergebe sich aus der Bezeichnung des Mietgegenstandes in den Mietverträgen als "Gebäude und Räume" sowie der Übergabe von Kellerschlüsseln laut dem von der Klägerin vorgelegten Übergabeprotokoll.
5. Der Mietvertrag sei auch nicht wegen Formmangels ordentlich kündbar. Der Formmangel einer Vertragszweckänderung durch einen Nachtrag hätte bestenfalls zur Folge, dass der Nachtrag unwirksam ist, ließe den eigentlichen Vertrag aber unberührt. An Nachträge seien zudem weit weniger strenge Anforderungen an die Schriftform zu stellen. Des Weiteren habe die Befristung bei der Zusammenlegung der Mietverträge erst nach Änderung des Vertragszwecks stattgefunden und sei in Schriftform erfolgt. Ferner könne die Klägerin wegen § 21 Ziffer 21.1 des Mietvertrages diesen nicht unter Berufung auf die Nichteinhaltung der Schriftform kündigen.
Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Berlin - 32 O 127/15 - die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Am 13.1.2016 hat der Beklagte aufgrund der von der Klägerin aus dem erstinstanzlichen Urteil betriebenen Zwangsvollstreckung die Räume herausgegeben.
Im Wege der Widerklage beantragt der Beklagte - für den Fall der Begründetheit der Berufung -, die Klägerin zu verurteilen, dem Beklagten die Lager und Verkaufsflächen im Erdgeschoss sowie im Kellergeschoss des Hauses ...Straße ..., ...B., wie aus der Anlage K 7 rot umrandet ersichtlich durch Wiedereinräumung des Besitzes herauszugeben.
Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und führt aus:
1. Die Kündigung bedürfe im Gewerberaummietrecht keiner Begründung. Der Zeitablauf zwischen Abmahnung und Kündigung stünde der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen. Der Beklagte habe sein Fehlverha...