Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnkostenerstattungspflicht wegen Anbietens von Produktnachahmungen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Abmahnung muss mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, welches konkrete Verhalten beanstandet wird, für das die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verlangt wird.
2. Eine unzutreffende rechtliche Würdigung in der Abmahnung ist grundsätzlich unschädlich; es genügt insoweit, dass der Abgemahnte das konkret als wettbewerbswidrig beanstandete Verhalten rechtlich beurteilen kann.
Normenkette
UWG § 4 Nr. 9, § 12 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 04.05.2011; Aktenzeichen 96 O 201/10) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Kammer für Handelssachen 96 des LG Berlin vom 4.5.2011 - 96 O 201/10 - abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.005,40 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.2010 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden dem Beklagten, diejenigen zweiter Instanz dem Kläger auferlegt.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Von der Wiedergabe eines Tatbestands wird gem. § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
B. Die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende landgerichtliche Urteil (nachfolgend: "LGU"; ggf. nebst Seitenzahl) ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig. Letzterem steht nicht entgegen, dass die Berufungsbegründung im (scheinbaren) Widerspruch zu § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO keinen (förmlichen) Berufungsantrag enthält (ein solcher vielmehr erstmals in der mündlichen Verhandlung und somit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gestellt worden ist). Denn die in der genannten Vorschrift für die Berufungsbegründung vorgeschriebene Erklärung des Berufungsklägers, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen beantragt werden, muss nicht notwendig in einem förmlichen, vom übrigen Inhalt der Begründung abgesetzten, bestimmt gefassten Antrag niedergelegt werden, sondern es genügt, dass der innerhalb der hierfür vorgeschriebenen Frist eingereichte Schriftsatz des Berufungsklägers seinem Inhalt nach eindeutig erkennen lässt, in welchem Umfang das Urteil angefochten wird (vgl. BGH NJW-RR 1999, 211). So verhält es sich hier, denn die - als solche fristgerecht eingereichte - Berufungsbegründung enthält am Ende ihrer Seite 1 (Bl. 89, unten, d.A.) die Erklärung, dass das (klagabweisende) Urteil in vollem Umfang zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt werde, mithin das (zuletzt geltend gemachte) Klagebegehren vollumfänglich weiter verfolgt wird.
C. Die Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg.
I. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung von Abmahnkosten gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zu.
1. Die in Rede stehende Abmahnung war "berechtigt" i.S.v. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG (vgl. dazu BGH GRUR 2010, 1120, Tz. 16 - Vollmachtsnachweis), denn ihr lag ein aus § 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 9 Buchst. a UWG folgender Unterlassungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten zugrunde und sie wies dem Beklagten einen Weg, den Kläger insoweit ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen. Im Einzelnen:
a) Nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UWG handelt unlauter, wer Waren anbietet, die eine Nachahmung von Waren eines Mitbewerbers sind, wenn er eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt. Dies ist im Streitfall gegeben.
aa) Aus dem Berufungsvorbringen und den damit zusammenhängenden, im zweiten Rechtszug überreichten visuellen Unterlagen (Anlagen BK 1 [insb. Seite 24] und BK 2) ergibt sich, dass die streitgegenständlichen - Produkte "K./70 Saiten" und "K./30 + 40 Saiten" Nachahmungen der Produkte "K.Oberton-Klangliege" und "K.Oktav-Klangliege" sind. Die zuerst genannten Produkte sind solche der W...GbR, also diejenigen eines Mitbewerbers des Klägers.
bb) Aus vorstehend genannten Unterlagen ergibt sich auch, dass die Produkte "K.Oberton-Klangliege" und "K.Oktav-Klangliege" aufgrund bestimmter optischer Elemente über wettbewerbliche Eigenart verfügen (was in Ansehung der Abbildungen hier nicht näher begründet werden muss, zumal die Parteien über diesen Punkt [wettbewerbliche Eigenart] auch im zweiten Rechtszug - zu Recht - nicht streiten). Daher wird mit einem Angebot der - dazu optisch nahezu identischen, aber von einem anderen Anbieter stammenden - Produkte "K./70 Saiten" und "K./30 + 40 Saiten" eine Täuschung über die betriebliche Herkunft jedenfalls dann herbeigeführt, wenn - wie hier - hinreichend deutliche, aufklärende Zusätze über eine andere Herkunft nicht vorhanden sind. Denn aufgrund dieser Umstände denkt das Publikum, die betriebliche Herkunft der Produkte "K./70 Saiten" und "K./30 + 40 Saiten" sei dieselbe wie diejenige der Produkte "K.Oberton-Klangliege" und "K.Oktav-Klangliege". Das aber ist nicht der Fall. Diese Täuschung ist im Streitfall vermeidbar,...