Entscheidungsstichwort (Thema)
Quittungsähnliche Bestätigung der Zahlung einer Kaution
Normenkette
BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 10.12.2001; Aktenzeichen 12 O 232/01) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 10.12.2001 verkündete Urteil des LG Berlin – 12 O 232/01 – abgeändert und der Tenor zu 1.a) wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die weitere Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung des Beklagten ist erfolgreich, die weitere Berufung der Klägerin erfolglos. Die Klägerin kann vom Beklagten Zahlung eines Betrages i.H.v. 7.669,38 Euro (15.000 DM) nicht verlangen, denn sie hat nicht bewiesen, dass sie dem Hausverwalter W. des Beklagten – wie behauptet – am 16.9.1994 einen Geldbetrag in dieser Höhe als Kaution übergeben hat. Folglich kann sie auf diesen Betrag auch keine Zinsen verlangen.
A. Das LG ist in der angefochtenen Entscheidung von einer zutreffenden Beweislastverteilung ausgegangen: Es obliegt demjenigen, der eine Mietkaution zurückfordert, bei entspr. Bestreiten den Beweis dafür zu führen, dass er sie dem Anspruchsgegner gezahlt hat (vgl. S. 8 des landgerichtlichen Urteils).
B. Diesen Beweis hat die Klägerin weder durch die Mietvertragsurkunde vom 1.9.1998 noch durch den Zeugen W. erbracht.
I. Die auf § 1 Nr. 2 der „Anlage zum Gewerbemietvertrag vom 1.9.1998” gestützte Annahme einer Zahlung am 16.9.1994 durch das LG wird durch mehrere Indiztatsachen, die gegen die Zahlung einer Barkaution sprechen, nachhaltig erschüttert.
1. Die genannte Vertragsklausel ist grundsätzlich geeignet, Beweis für die Zahlung zu erbringen.
a) Für eine Privaturkunde gilt die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit. Diese spricht dafür, dass die Urkunde den endgültigen, wohl überlegten Willen der Parteien zu dem jeweiligen Vertragsschluss enthält. Voraussetzung ist, dass der Urkundentext nach Wortlaut und innerem Zusammenhang unter Berücksichtigung der Verkehrssitte einen bestimmten Geschäftsinhalt zum Ausdruck bringt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Beurkundete in dem Sinne eindeutig zu sein hätte, dass für eine Auslegung kein Raum mehr bleibt (BGHZ 25, 318 [319]; BGH v. 9.4.1981 – IVa ZB 6/80, BGHZ 80, 246 [250] = MDR 1981, 736); denn in diesem Falle wäre die Vermutung dem Beweis des Gegenteils nicht zugänglich, ginge mithin über eine Beweislastregelung hinaus. Die Vermutung ist vielmehr bereits dann begründet, wenn der Urkundstext nach Wortlaut und innerem Zusammenhang unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§ 157 BGB) einen bestimmten Geschäftsinhalt zum Ausdruck bringt.
Zur Widerlegung der Vermutung kann – als Hilfsmittel – auf außerhalb der Urkunde liegende Mittel der Auslegung (Begleitumstände des Geschäfts, Äußerungen der Parteien außerhalb der Urkunde u.a.) zurückgegriffen werden. Die Partei, die sich auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände – sei es zum Nachweis eines vom Urkundstext abweichenden übereinstimmenden Willen der Beteiligten, sei es zum Zwecke der Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus der Sicht des Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 BGB) – beruft, trifft die Beweislast für deren Vorliegen (vgl. BGH v. 5.7.2002 – V ZR 143/01, BGHReport 2002, 859 = MDR 2002, 1361 = NJW 2002, 3164; v. 29.11.1989 – VIII ZR 228/88, BGHZ 109, 240 [245] = MDR 1990, 331; KG OLGZ 77, 487; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., 2002, § 416 Rz. 7).
b) Diese Vermutung streitet hier für die Zahlung der Kaution durch die Klägerin. Die Vertragsklausel lautet: „Der Mieter hat dem Vermieter bereits eine Kaution i.H.v. 15.000 DM (in Worten: fünfzehntausend) nebst Zinsen mit dem Gewerbemietvertrag vom 16.9.1994 geleistet.” Dies stellt eine quittungsähnliche Bestätigung für die Zahlung dar.
2. Die darauf gestützte Gewissheit einer Zahlung ist jedoch durch unstr. oder nicht hinreichend bestrittene Indiztatsachen erschüttert worden.
a) Im Vorfeld des Vertragsabschlusses vom 16.9.1994, bei dem die Kaution gezahlt worden sein soll, bestand zwischen den Vertragsparteien Einigkeit über die Beibringung einer Bürgschaft durch die Klägerin.
Nachdem die Klägerin zunächst vorgetragen hatte, sie habe beim Hausverwalter W. nicht wegen der Möglichkeit einer Bürgschaft angefragt, hat sie sich dahin korrigiert, eine solche Anfrage habe es doch gegeben. Am 28.8.1994 oder am 2.9.1994 (das Datum geht aus dem Text nicht eindeutig hervor – beide Daten sind enthalten) hat das Bankhaus aus München dem Hausverwalter W. schriftlich seine Bereitschaft bestätigt, eine Bürgschaft zu übernehmen. Mit Schreiben vom 29.8.1994 hat die Klägerin dem Hausverwalter mitgeteilt, eine Bankbürgschaft von 10.000 DM sei aus ihrer Sicht angemessen. Am 2.9.1994, also zwei Wochen vor dem Vertragsschluss vom 16.9.1994, hat der Hausverwalter mitgeteilt, eine Bürgschaft über 10.000 oder 20.000 DM habe er gerade telefonisch durch das Bankhaus erhalten; es fehle noch eine Selbstauskunft über den Kunden. Dies deutet dar...