Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkaufsautomaten für Bezahlzeitungen (Mediaboxen)
Leitsatz (amtlich)
Bei Verkaufsautomaten für Bezahlzeitungen, die eine unentgeltliche Entnahme einer solchen Zeitung ohne mechanische Schutzvorrichtung ermöglichen (sog. Mediaboxen), kommt eine angemessene, unsachliche Einflussnahme i.S.d. § 4 Nr. 1 UWG in Betracht, weil hier nicht unerhebliche Teil des angesprochenen Verkehrs verleitet werden, Zeitungen zu entnehmen, ohne das Entgelt zu bezahlen.
Eine solche Verleitung kann zu verneinen sein, wenn zusätzliche Überwachungsmaßnahmen ergriffen werden, die einen ausreichenden Überwachungsdruck gewährleisten.
Normenkette
UWG §§ 3, 4 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 21.11.2006; Aktenzeichen 102 O 67/06) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 21.11.2006 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 102 des LG Berlin - 102 O 67/06 - geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Klägerin zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien konkurrieren mit ihren Presseerzeugnissen auf dem Berliner Zeitungsmarkt u.a. im Segment der entgeltlichen, meinungsbildenden Tageszeitungen.
Das LG hat durch das am 21.11.2006 verkündete Urteil die Beklagte verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihren Vorstandsmitgliedern zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Kaufzeitung "Wk." auf dem Berliner Zeitungsmarkt über mechanische Verkaufshilfen (sog. "Stumme Verkäufer") anzubieten bzw. anbieten zu lassen und/oder zu vertreiben bzw. vertreiben zu lassen, soweit diese Verkaufshilfen nicht gegen kostenlose Entnahme der in ihnen enthalten Zeitungsexemplaren gesichert sind.
Auf das Urteil wird auch hinsichtlich des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien und ihrer Anträge verwiesen.
Gegen das am 27.11.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.12.2006 Berufung eingelegt und diese am 29.1.2007, einem Montag, begründet.
In der mündlichen Verhandlung vom 21.9.2007 hat die Beklagte folgende Erklärung abgegeben:
Die Beklagte verpflichtet sich, es bei Vermeidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung an die Klägerin zu zahlenden Vertragsstrafe i.H.v. jeweils 8.000 EUR zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken, ungesicherte Verkaufshilfen für den Vertrieb der "WK." in Berlin zu verwenden, ohne dass
1. auf jedem Automaten ein deutlich sichtbarer Hinweis über den Kaufpreis sowie die Angabe "Diebstahl wird verfolgt, Kontrolleure im Einsatz" erfolgt;
2. durch eine Vereinbarung mit dem für die Bestückung der Automaten zuständigen Dienstleister (Pressegrosso) sichergestellt wird, dass durch regelmäßige stichprobenartige Kontrollen der
Automaten gewährleistet wird, dass Zeitungen nur gegen Bezahlung entnommen werden.
Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Verurteilung. Sie bezieht sich auf den erstinstanzlichen Vortrag und vertieft diesen. Die Klage sei nicht begründet, weil sich inzwischen seit der letzten Entscheidung des BGH zu solchen Verkaufsautomaten die Umstände geändert hätten. Man könne heute nicht mehr davon ausgehen, dass diese Automaten die angesprochenen Verkehrskreise unangemessen und unsachlich in ihrer Kaufentscheidung beeinflussten. Eine konkrete Störung des Marktes sei durch deren Aufstellung nicht ersichtlich. Der Zeitungsmarkt habe sich auch insoweit geändert, dass die Zeitungsleser an kostenlose Angebote gewöhnt seien. Schließlich käme selbst bei der Annahme eines wettbewerbsrechtlichen Verstoßes durch die Aufstellung der Automaten diesem keine Relevanz zu.
Die Beklagte beantragt, wie erkannt.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird im Übrigen auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
B. Die zulässige Berufung ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Unterlassungsanspruch.
1. Ein solcher Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aus den §§ 3, 4 Nr. 10, § 8 UWG (gezielte Behinderung).
Eine gezielte Behinderung ist dann anzunehmen, wenn bei objektiver Würdigung aller Umstände die Maßnahme in erster Linie nicht auf die Förderung der eigenen wettbewerblichen Entfaltung, sondern auf die Störung der fremden wettbewerblichen Entfaltung gerichtet ist (Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 4 Rz. 10.7, m.w.N.). Für eine solche gezielte Behinderung fehlt hinreichender Vortrag der Klägerin. Der Berliner Zeitungsmark...