Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 27 O 14/15)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 29.06.2021; Aktenzeichen VI ZR 10/18)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 8. September 2015 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 27 O 14/15 - geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht und auf Unterlassung von Äußerungen in Anspruch, die auf dem vom Beklagten seit dem Jahr 2010 betriebenen Online-Auftritt ... abrufbar waren.

Der Kläger ist Unternehmensberater und als solcher Aufsichtsratsmitglied mehrerer Aktiengesellschaften, darunter die Folgenden: ... (vormals ...), und ..., an denen Herr ... über die ... als Investor wesentliche Anteile hält. Seit 1.07.2009 ist der Kläger zudem Verwaltungsratspräsident der ... (vormals ... bzw. ...; im Folgenden: ...) mit Sitz in der Schweiz.

Im Jahr 2006 investierten die Parteien in die damalige .... Der Beklagte erwarb im Rahmen einer Kapitalerhöhung Aktien für 100.000 EUR. Bei dem Unternehmen handelt es sich um einen Börsenmantel, der jedenfalls bis zum Jahr 2012 kein operatives Geschäft unterhielt. Bis Ende 2014 fiel der Aktienkurs auf unter 0,01 EUR. Im Dezember 2014 beantragte der Verwaltungsrat der ... den Widerruf der Börsenzulassung (sog. Delisting).

Herr ... ist Mehrheitsaktionär der .... Seit September 2011 ist der Kläger Vorsitzender des Aufsichtsrats. Im Jahr 2014 schlugen Vorstand und Aufsichtsrat des Unternehmens vor, das Delisting zu beantragen.

Herr ... ist ferner Mehrheitsaktionär der .... 2014 wurde der Kläger zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats gewählt. Bis April 2015 sank der Aktienkurs auf ... EUR.

Der Kläger sieht in den angegriffenen Blog-Einträgen, die sich mit ihm und den Unternehmen befassen, in denen er Aufsichtsratsmitglied bzw. Verwaltungsratspräsident ist, einen rechtswidrigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht. Die angegriffene Berichterstattung diene ausschließlich als Nötigungsmittel im Rahmen einer Erpressung. Er behauptet, der Beklagte habe in den Jahren 2010, 2011 und 2014 Mitgliedern des Verwaltungsrates der ... mehrfach angeboten, den Betrieb des Blogs gegen Zahlungen einzustellen. Darin liege eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung. Die Veröffentlichungen entfalteten eine unzulässige Prangerwirkung. Der Beklagte sei auch wettbewerbsrechtlich zur Unterlassung verpflichtet. Er greife in den Wettbewerb zwischen den Unternehmen, für die der Kläger als Aufsichtsratsmitglied tätig sei (..., ...) und deren Konkurrenzunternehmen ein.

Wegen der in 1. Instanz zuletzt gestellten Anträge wird auf Seite 5 bis 16 des angefochtenen Urteils verwiesen.

Der Beklagte ist der Ansicht, seine Berichterstattung sei rechtmäßig. Sie betreffe das berufliche Wirken und damit die Sozial- und Öffentlichkeitssphäre des Klägers und sei durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerechtfertigt.

Das Landgericht hat den Beklagten durch das am 08.09.2015 verkündete Urteil dazu verurteilt, es zu unterlassen, unter der Äußerung "Aktienversenker" und/oder unter der Äußerung "Alles über die Firmenräuber ... und ..." über den Kläger in ihn identifizierender Art und Weise zu berichten oder berichten zu lassen wie unter ... geschehen. Das Landgericht hat ferner dem auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht gerichteten Klageantrag stattgegeben. Wegen eines weiter gestellten Unterlassungsantrages (Antrag zu Ziff. II aus dem Schriftsatz des Klägers vom 31.08.2015) hat es die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen.

Zwar müsse der Kläger grundsätzlich eine identifizierende Berichterstattung hinnehmen, da die Veröffentlichungen sich mit seinem beruflichen Wirken befassten und er lediglich in der Sozialsphäre betroffen sei. Die Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange ergebe jedoch, dass der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht rechtswidrig sei. Denn der Beklagte stelle den Kläger in Schädigungsabsicht an eine Art "virtuellen Pranger". Der Beklagte verfolge in erster Linie private Interessen. Er handele aus Rache für die bei der ... erlittenen Verluste, wenn nicht sogar in erpresserischer Bereicherungsabsicht. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.

Gegen das am 18.09.2015 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 01.10.2015 Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 18.12.2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet. Eine Prangerwirkung liege nicht vor. Das Landgericht habe bei seiner Abwägung fehlerhaft und ohne Tatsachengrundlage auf eine angeblich unlautere Motivation des Beklagten abgestellt und verkannt, dass die angegriffene Berichterstattung von einem überwiegenden Informationsinteresse gedeckt sei. Dies werde durch den Umstand belegt, dass die...

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