Leitsatz (amtlich)

Der Vermieter von Gewerberäumen schuldet mangels abweichender Vereinbarungen die Überlassung der Mietsache in einem für den vereinbarten Betriebszweck genehmigungsfähigen Zustand. Die hierfür erforderlichen Baumaßnahmen hat der Vermieter auf eigene Kosten zu veranlassen (hier: Schaffung eines zweiten Fluchtweges für das Betreiben einer Kindertagesstätte).

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 17.09.2021; Aktenzeichen 3 O 187/21)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17. September 2021 verkündete Urteil der Zivilkammer 3 des Landgerichts Berlin - 3 O 187/21 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

[1] Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 17. September 2021 verkündete Urteil der Zivilkammer 3 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

[2] Die Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor:

Nach dem Mietvertrag seien die Parteien übereingekommen, dass die Klägerin den Umbau der Räumlichkeiten so hätte vornehmen sollen, dass die Beklagte die behördliche Nutzungsgenehmigung für einen Kitabetrieb erhalten würde. Da mit dieser Genehmigung der Mietzweck stehe und falle, hätten die Parteien den Erhalt dieser Genehmigung nach § 16 des Vertrages zur aufschiebenden Bedingung für die Gültigkeit des Mietvertrages vom 11.01.2020 gemacht. Diese Genehmigung sei - unstreitig - nie erteilt worden. Der von der Klägerin vorgelegte Mietvertrag sei nicht der Originalmietvertrag - wie von der Klägerin zunächst behauptet - und enthalte die maßgebliche Regelung in § 16 nicht. In der mündlichen Verhandlung habe sich herausgestellt, dass es sich lediglich um eine Kopie handele, so dass die Klägerin auch von der Klage im Urkundenprozess Abstand genommen habe.

Das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass der von der Beklagten im Original vorgelegte Mietvertrag die maßgebliche Regelung des § 16 enthalte, und auch, dass der Mietgegenstand zu keinem Zeitpunkt von der Klägerin als Vermieterin in einen baulichen Zustand versetzt worden sei, der genehmigungsfähig gewesen sei. Dass die Klägerin die Genehmigungsfähigkeit hätte herbeiführen müssen, ergebe sich aus der Generalklausel in § 3 Satz 2 des Mietvertrages, wobei die Ausstattungsverordnung dem Mietvertrag beigefügt gewesen sei. Des Weiteren sei in § 3 Satz 3 des Mietvertrages vereinbart, dass der Vermieter sich zu den aus der Anlage zum Mietvertrag ersichtlichen Arbeiten verpflichtet. Unter Ziffer 4 der Anlage sei der Vermieter verpflichtet, "nach Baugenehmigung den Durchbruch im Obergeschoss des Hauses durchzuführen, so dass beidseitig ein zweiter Fluchtweg entsteht".

Demgegenüber habe der Mieter sich nur zur Einholung der notwendigen Genehmigungen bezüglich des Durchbruchs verpflichtet.

Hintergrund für den Durchbruch sei gewesen, dass es nach den Vorgaben der Bau- und Ausstattungsverordnung der Senatsverwaltung zwei voneinander unabhängige Flucht- und Rettungswege hätte geben müssen. Beide Doppelhaushälften des Gebäudes seien mit einer Wendeltreppe vom Obergeschoss zum Untergeschoss ausgestattet (B 5 und B 6). Die beiden Wendeltreppen hätten den Sicherheitsanforderungen der Senatsverwaltung nicht genügt, was den Parteien - unstreitig - bei Abschluss des Mietvertrages nicht bekannt gewesen sei. In der Folgezeit nach Abschluss des Mietvertrages habe sich herausgestellt, welche Arbeiten notwendig sein würden. Die Beklagte habe die Klägerin mit E-Mail vom 04.06.2020 (Anlage B 14) auf die erforderlichen Arbeiten hingewiesen. Die Beklagte habe die Mietzahlung ab Juni 2020 auf Druck der Klägerin aufgenommen, obwohl der Umbau von der Klägerin nicht fertiggestellt gewesen sei. Nachdem die Klägerin wegen des erforderlichen Umbaus der den Fluchtweg bildenden Treppen keinerlei Kooperation mehr gezeigt habe, hätte die Beklagte die Zahlungen im Dezember 2020 unter Berufung auf die aufschiebende Bedingung und die Einrede des nichterfüllten Vertrages eingestellt.

Rechtsfehlerhaft sei das Landgericht der Auffassung, die Beklagte habe den Eintritt der aufschiebenden Bedingung treuwidrig verhindert. Das Landgericht habe den Mietvertrag fehlerhaft dahin ausgelegt, dass die Beklagte für die Treppenproblematik hätte Sorge tragen müssen. Das Landgericht verletze hierbei die Auslegungsregel, dass bei einer Vertragsauslegung zunächst vom Wortlaut auszugehen sei. Der Wortlaut des Mietvertrages spreche nur von Umbauverpflichtungen der Klägerin, Umbauverpflichtungen der Beklagten sehe der Mietvertrag nicht vor, sondern lediglich Kooperationsleistungen. Zu Unrecht stütze das Landgericht seine A...

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