Leitsatz (amtlich)
1. Soll der Mieter die Räume erst durch erhebliche Investitionen in einen Zustand versetzen, die eine Nutzung für den vereinbarten Zweck ermöglicht, so stellt ein baurechtswidriger Zustand der Bestandsräume einen zur Minderung auf Null führenden Sachmangel i.S. von § 536 BGB dar, wenn der Mieter die Investitionen und damit die Nutzungsaufnahme (auch) wegen der öffentlich-rechtlichen Lage unterlässt.
In einem solchen Fall setzt der Sachmangel nicht voraus, dass die Behörde gegen eine Nutzung eingeschritten ist.
2. Auch individualvertragliche Abreden über eine Risikoübernahme oder Beschränkung von Gewährleistungsrechten sind eng auszulegen. Übernimmt der Mieter das Risiko, dass für die von ihm auszubauenden Räume eine Baugenehmigung erteilt wird, so erstreckt sich das grundsätzlich nicht auf Risiken, die den Räumen bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses anhaften und die er nicht kannte (vorliegend: unter Verstoß gegen materielles Baurecht in einer Brandwand errichtetes Fenster).
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 09.12.2014; Aktenzeichen 25 O 435/13) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 09.12.2014 verkündete Urteil des LG Berlin -25 O 435/13- teilweise abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.168,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von 982,80 EUR seit dem 05.05.2013 und von 185,64 EUR seit dem 04.06.2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Jede Partei darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten nach beendetem Mietverhältnis über die Verpflichtung des Beklagten, Miete bzw. Nutzungsentschädigung für Mai 2013 bis zu der Ende März 2014 erfolgten Räumung und Herausgabe zu zahlen, und über die Kostentragung nach erledigter Räumungsklage. Die Klägerin hat die Räumungsklage erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 16.04.2014 für erledigt erklärt. Der Beklagte hat dem - abweichend vom Tatbestand des LGurteils - nicht widersprochen, sondern sich der Erledigungserklärung im ersten Termin vor dem LG am 13.05.2014 angeschlossen (s. Protokoll Bl. I/70 d.A.). Das LG hat mit Urteil vom 09.12.2014 der Zahlungsklage in Höhe von 32.835,00 EUR für den genannten Zeitraum stattgegeben und festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des ursprünglichen Räumungs- und Herausgabeanspruchs erledigt sei. Auf die tatsächlichen Feststellungen im Landgerichturteil - nach Maßgabe des Tatbestandsberichtigungsbeschlusses vom 06.02.2015 - wird Bezug genommen wird. Der Beklagte verfolgt mit der Berufung den Klageabweisungsantrag weiter.
Der Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor:
1) Das LG habe übersehen, dass der Beklagte erstinstanzlich eine Zahlung von 1.194,00 EUR für Mai 2013 vorgetragen und mit dem Kontoauszug Anl. B 9 belegt habe, welche von der Klägerin auch nicht bestritten worden sei.
2) a) Entgegen der Ansicht des LG sei die Miete wegen fehlender Nutzbarkeit der Räume für den vertraglich vorgesehenen Zweck auf Null gemindert. Die Klägerin als Vermieterin hafte dafür, dass objektbezogene Genehmigungen erlangt werden konnten. Dies folge bereits im Wege des Umkehrschlusses aus der Klausel in § 1 Nr. 1 lit a Mietvertrag (MV). Ferner habe der Beklagte in der Anlage 1 zum Mietvertrag nur die Pflicht zur Renovierung/Sanierung und nicht zum "Umbau" im Sinne einer Umgestaltung der Räume mit Eingriff in Konstruktion und Bestand übernommen. Das Schließen einer Brandschutzwand durch Beseitigen der Fenster und das neue Einbauen von Dachfenstern stelle einen Umbau und keine Renovierung/Sanierung dar. Der durch die Klägerin selbst im vorderen Raum vorgenommene Austausch der Fenster zeige, dass sie für Maßnahmen, welche den Bestand des Mietobjekts betreffen, zuständig geblieben sei.
Der Beklagte sei für die Einholung von objektbezogenen, bauordnungsrechtlichen Genehmigungen nach dem Vertrag auch nicht zuständig gewesen und habe keine Verpflichtung übernommen, einen baurechtlichen Nutzungsänderungsantrag zu stellen. Der Anlage 1 zum Mietvertrag könne eine solche nicht entnommen werden, da sich die Parteien bei Vertragsschluss "dieser Problematik nicht bewusst" gewesen seien. Im Übrigen handele es sich bei der Anlage nicht um eine Individualvereinbarung, sondern - auch bei erstmaliger Verwendung - um eine AGB der Klägerin. Wortlaut und genauer Regelungsgehalt seien von der Klägerin nicht zur Disposition gestellt worden. Im Vorfeld des Vertrags sei nur über die Eckpunkte gesprochen worden. Folglich gelte zu Gunsten des Beklagten die Zweifelsregelung des § 305c Abs. 2 BGB. Aus dem dem Beklagten eingeräumten Rücktrittsrecht ergebe sich weder seine Verpflichtung, Baumaßnahmen zu tragen...