Verschuldensunabhängige Haftung der Mietwagenfirma für mangelhaftes Fahrzeug
In dem vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall hatte die gewerbliche Stammkundin einer gewerblichen Autovermietung für eine Woche ein Fahrzeug für eine Fahrt von Frankfurt nach Berlin und zurück gemietet.
Mietwagenhaftung per AGB auf grobes Verschulden und grober Fahrlässigkeit beschränkt
In Ziffer 8 der Mietvertragsbedingungen war bestimmt, dass die Mietwagenfirma für Schäden wegen Verletzung des Lebens, des Körpers und der Gesundheit der Mieter nur bei grobem Verschulden und grober Fahrlässigkeit haftet.
Verkehrsunfall mit schwersten Verletzungen wegen blockierter Lenkung
Auf der Rückfahrt von Berlin nach Frankfurt geriet das Fahrzeug plötzlich ins Schleudern. Ein Gegengelenken war nicht möglich, die Lenkung blockierte. Das Fahrzeug schaukelte sich auf, kippte nach links und rutschte über die linke Seite über den Farbbandrand hinaus auf eine Grünfläche. Beim Umkippen des Mietfahrzeugs geriet der linke Arm der Klägerin durch das geöffnete Fenster und wurde zwischen Fensterrahmen und Fahrbahn eingequetscht und schließlich abgetrennt. Eine Replantation des Armes war nicht möglich. Auch darüber hinaus erlitt die Klägerin schwerste Verletzungen.
Blockieren der Lenkung war Folge eines Fertigungsfehlers
Ein später hinzugezogenen Sachverständiger stellte fest, dass ein Fehler bei der Herstellung des Fahrzeugs zu der aufgetretenen Lenkblockade geführt hatte. Im Kardangelenk der unteren Lenksäule sei ein Lager fehlerhaft verbaut worden. Damit sei das Fahrzeug von Anfang an verkehrsunsicher gewesen. Erst im Verlauf der späteren Nutzung habe sich das Kreuzgelenk peu à peu aus der Lageraufnahme herausgearbeitet und sei während der Fahrt der Klägerin von Berlin nach Frankfurt plötzlich herausgesprungen. Hierdurch habe die Lenkung blockiert.
Mietwagenfirma lehnte Verantwortung wegen AGB-Haftungsausschluss ab
Die Forderung der Klägerin nach einem Schmerzensgeld in Höhe von 120.000 Euro und einer Schmerzensgeldrente lehnte die beklagte Mietwagenfirma ab. Sie berief sich auf den vereinbarten Haftungsausschluss in den AGB. Ihr seien die Fahrzeugmängel zum Zeitpunkt der Vermietung des Fahrzeugs nicht bekannt gewesen. Da es sich nach Feststellung des Sachverständigen um Fertigungsmängel handle, sei sie als Vermieterin weder für die Mängel noch für die hierdurch entstandenen Schäden der Klägerin verantwortlich. Eine verschuldensunabhängige Haftung sei nach den Bedingungen des geschlossenen Mietvertrages ausgeschlossen. Erstinstanzlich hatte sie mit dieser Argumentation Erfolg. Das LG wies die Schadenersatzklage der Klägerin ab.
Abweichende Bewertung der Haftungsausschlussklausel durch das OLG
Die Frage des Haftungsausschlusses bewertete das OLG Frankfurt völlig anders. Grundlage der Beurteilung durch das OLG war die Vorschrift des § 536 a Abs. 1 BGB. Hiernach haftet der Vermieter auch für unverschuldete Mängel der Mietsache, soweit sie bereits bei Vertragsschluss bestanden. Diese verschuldensunabhängige Haftung ist grundsätzlich abdingbar und wird in der Regel in den AGB von gewerblichen Fahrzeugverleihern ausgeschlossen.
Haftungsausschluss darf Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen
Solche Haftungsausschlüsse unterliegen nach der Entscheidung des OLG allerdings der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Nach § 307 BGB sei eine Bestimmung in den AGB dann unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Gemäß § 307 Abs. 2 BGB liege hiernach eine unangemessene Benachteiligung besonders dann vor, wenn
- die Bestimmung wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt,
- dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet und
- die abweichende AGB-Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist.
Kein Haftungsausschluss für die Verletzung von Kardinalpflichten
Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung des Senats die verwendete Haftungsausschlussklausel so auszulegen, dass sie keine Schäden infolge der Verletzung einer wesentlichen Hauptpflicht des Vermieters, einer sogenannten Kardinalpflicht, umfasst. Andernfalls enthielte die Klausel eine unangemessene Benachteiligung des Mieters.
Verkehrssicherheit gehört zu den Kardinalpflichten einer Mietwagenfirma
Zu den Kardinalpflichten einer Mietwagenfirma gehört es nach dem Urteil des OLG, verkehrssichere Fahrzeuge mit einer intakten Lenkung zu vermieten. Der Ausschluss der Haftung für eine solche, den typischen Vertragszweck prägende Pflicht würde den Vertragszweck in unangemessener Weise zulasten des Mieters aushöhlen. Ein Fahrzeugmieter müsse sich darauf verlassen können, dass das ihm anvertraute Fahrzeug verkehrstüchtig ist. Die Haftung für einen solchen, bereits bei Beginn des Mietvertrages vorliegenden wesentlichen Mangel des Fahrzeugs, könne daher nicht wirksam in den AGB ausgeschlossen werden.
90.000 EUR Schmerzensgeld, 160 EUR monatliche Schmerzensgeldrente
Das OLG sprach der Klägerin unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und der Schwere der Verletzungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 90.000 Euro sowie eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 160 Euro zu.
Entscheidung noch nicht rechtskräftig
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision wurde nicht zugelassen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Beklagte aber die Zulassung der Revision beim BGH beantragen.
(OLG Frankfurt, Urteil v. 30.12.2021, 2 U 28/21).
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