Leitsatz (amtlich)

Eine ohne Kenntnis der Fluggäste erfolgte Umbuchung auf einen anderen Anschlussflug kann im Falle eines verspäteten Zubringerflugs eine Verweigerung des Einstiegs darstellen mit der Folge eines Ausgleichsanspruch nach Art. 7 der VO (EG) 261/2004.

 

Normenkette

EGV 261/2004 Art. 7

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Spandau (Urteil vom 29.02.2008; Aktenzeichen 3 C 9/07)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 29.2.2008 verkündete Urteil des AG Spandau - 3 C 9/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zzgl. 10 % abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10 % Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Zahlung von 1.157,62 EUR wegen der am 3.10.2005 erfolgten Buchung und Inanspruchnahme von Flügen Berlin-Amsterdam-Curacao-Amsterdam. Zu dem macht sie den Ersatz anteiliger außergerichtlich entstandener Gebühren ihres Prozessbevollmächtigten i.H.v. 76,91 EUR geltend.

Die Flüge des Beklagten von Berlin nach Amsterdam unter der Flugnummer KL 1824 wurden am 3.5.2005 etwa zwei Stunden vor dem Abflug abgesagt. Gleichzeitig wurden die Flugtickets vom 3.5.2005 eingezogen und gegen Tickets von der Air France für den 4.5.2005 mit folgenden Flugnummern ausgetauscht: Berlin-Amsterdam KL 1822 (Abflug 9.05 Uhr) und Amsterdam-Aruba KL 0733 (Abflug 14.25). Die Flüge am 3.5.2005 hatten die Flugnummern KL 1824 (Berlin-Amsterdam, Abflug 11.40 Uhr) und KL 0733 (Amsterdam-Aruba, Abflug 14.25 Uhr).

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Forderungsinhaberschaft des Beklagten zum Teil bestritten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens erster Instanz, der dort gestellten Anträge und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das AG Spandau hat durch am 29.2.2008 verkündetes Urteil das Versäumnisurteil vom 8.6.2007, mit dem die Klage abgewiesen worden ist, aufrechterhalten. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Bei dem Flug Berlin-Amsterdam am 4.5.2005 um 9.05 Uhr handelte es sich um einen regulären Flug, der bereits vor dem 3.5.2005 geplant war.

Der Beklagte hat eine Abtretungserklärung seiner Ehefrau vom 20.11.2008 hinsichtlich der Ansprüche auf Entschädigungszahlung aus dem Flug Berlin-Aruba vorgelegt.

Die Klägerin macht mit der rechtzeitigen Berufung geltend, das AG Spandau sei zu Unrecht von Gegenansprüchen des Beklagten wegen einer Annullierung des Fluges Berlin-Amsterdam ausgegangen; es habe sich vielmehr um eine Verspätung gehandelt. Die Indizien erneute Abfertigung, neue Bordkarten, neue Flugnummer und die Verwendung eines anderen Luftfahrzeugs seien keine tauglichen Kriterien zur Abgrenzung von einer Verspätung, weil dies nach den jeweiligen Konzepten der Fluggesellschaften unterschiedlich gehandhabt werde.

Zudem hätten außergewöhnliche Umstände im Sinne höherer Gewalt vorgelegen, die Ansprüche des Beklagten entfallen ließen. Das AG habe rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass das ursprünglich vorgesehene Luftfahrzeug in Amsterdam wegen widriger Witterungsverhältnisse - dichten Nebels - und Entscheidungen des Flugverkehrsmanagements (Flugsicherung) nicht habe starten können. Auf die entsprechenden Ausführungen in der Berufungsbegründung (Bd. II Bl. 16 bis 19) wird verwiesen. Erst gegen 11.55 Uhr habe sich das Wetter gebessert. Das Flugzeug hätte daher bei seinem Rückflug nach Amsterdam auch nur verspätet landen können, so dass der Kläger seinen Anschlussflug verpasst hätte. Ein kurzfristiger Ersatzflug hätte die Anforderungen an die zu ergreifenden Maßnahmen bei weitem übersteigert.

Auch eine Entschädigungsmöglichkeit nach Art. 19 MÜ bestehe nicht, weil sie sich gem. Art. 19 Satz 2 MÜ exkulpieren könne. Es genüge dabei, dass sie schnellstmöglich für eine Flugbereitschaft der Maschine sorge. Da in Berlin nicht der Heimatflughafen der Klägerin sei, könne sie lediglich die deutschen Flughäfen im Pendelverkehr anfliegen, dort aber nicht eine Ersatzmaschine vorhalten. Dies sei sowohl organisatorisch als auch ökonomisch ausgeschlossen. Der Kreis der erforderlichen Maßnahmen zur Schadensverhütung sei einheitlich nach dem MÜ zu beurteilen. Danach würden als zumutbare Maßnahmen solche angesehen, die nach den konkreten Umständen ein sorgfältig gewissenhaft und vernünftig handelnder Unternehmer oder seine Besatzung unter Hintanstellung allein kaufmännischer Überlegungen getroffen haben würde. Der Beklagte hätte spätestens um 13.05 Uhr in Amsterdam sein müssen, um seinen Anschlussflug um 14.25 Uhr nach Aruba erreichen zu können. Dies sicherzustellen, wäre ihr nicht möglich gewesen. Es genüge für den Entlastungsbeweis, dass es auf Grund der äußerst schlechten Witterungsverhältnisse - wie hier - zu einer großen Anzahl wartender Maschine...

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